Seite:Oberamt Riedlingen 058.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

b. Leben und Sitten. Herr Dekan Ströbele macht davon im Wesentlichen folgende Schilderung. Nachdem sich in Folge der franz. Kriege und der dadurch erhöhten Fruchtpreise, und des vermehrten Geldumlaufs der Wohlstand der Einwohner so bedeutend vermehrt hatte, verlor sich größtentheil die frühere Einfachheit in Nahrung und Kleidung, und in allen Beziehungen des häuslichen Lebens trat ein sonst unbekannter Luxus ein. Zu der frühern Kost von Kartoffeln, Milch- und Mehlspeisen kam, als fast tägliche Nahrung, das Fleisch, vorzüglich Schweinefleisch und geräuchertes Rindfleisch, statt Wasser und Milch wurde Bier fast allgemeines Getränk, wenigstens an Sonn- und Feyertagen, wozu noch Branntwein und bey Feyerlichkeiten und öffentlichen Lustbarkeiten Wein kam. Wenn auch der Vater den altgewohnten grobtuchenen Rock, schwarz lederne Hosen, weiße leinene Strümpfe und den dreyeckigen Filzhut noch beybehielt, so kleidete sich der Sohn seit dieser Zeit nach neuerm Schnitte und erscheint jetzt in kurzer, geschmeidiger Jacke von feinem Tuch, kurzen, schwarzledernen Beinkleidern, weißwollenen Strümpfen, Schuhen mit silbernen Schnallen, seidenem Halstuche, und einer, auch im Sommer, mit Pelz verbrämten Kappe von grünem Sammet, Uhr mit stark silberner Kette, in der Hosentasche ein stilletartiges Messer, dessen Heft mit Silber eingelegt ist, im Munde eine mit Silber beschlagene Tabakspfeife. Auch das Mädchen legte das alte Pauschmieder mit steifem Vortuche, den beengenden Halsgoller, den selbst erzeugten Wiflingrock und die rothen Strümpfe ab, und kleidete sich in Stoffe von Pers, Tuch, und wohl auch von Seide nach neuem Zuschnitte und die sogenannte Ehinger Haube wurde allgemein[1]. Dieser Luxus übertrug sich auch auf die Aussteuer des Mädchens, so daß nicht selten ein bedeutender Theil des Heirathsguts dadurch verschlungen wird.


  1. Im Freyen haben sie häufig den Kopf in ein Tuch eingehüllt, das unter dem Kinn geknüpft ist, während weiter hinauf schwarze Strohhüte diese Kopfbedeckung vertreten.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Riedlingen. Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta, 1827, Seite 058. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Riedlingen_058.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)