Seite:Oberamt Ulm Seite 122.jpg

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Verrath, wodurch die Stadt 1316 in bayerische, nach Andern in österreichische Hände gespielt werden sollte, brachte die Unzufriedenheit zum vollen Ausbruch. K. Ludwig der Bayer kam zur Versöhnung und zur Befriedigung der Zünfte herbei. Er stiftete 1327 einen Vertrag, der erste Schwörbrief genannt, wodurch die bisherige Verfassung aufgehoben und eine neue an ihre Stelle gesetzt wurde. Der Stadtrath wurde in einen großen und einen kleinen Rath getheilt; in letzterem erhielten 15 von den Geschlechtern und 17 von den Zünften (so groß war ihre Anzahl), in ersterem 10 von den Geschlechtern und 30 von den Zünften Sitz. Die Bank der Schöffen wurde mit ihrem Vorstande, dem Stadtschultheißen, ausgeschieden und auf das Gerichtswesen allein beschränkt. Der Stadtschultheiß trat nun überhaupt in ein untergeordnetes Verhältniß zurück, und das Oberhaupt der Regierung ward jetzt der Bürgermeister. Der Schwörbrief, der durch einen zweiten vom J. 1545 bestätigt wurde, sprach zugleich völlige Gleichheit der Rechte und allgemeine Steuerpflichtigkeit aus.

Diese Verfassung behielt Ulm 200 Jahre lang. Kaiser Karl V., der einen Hauptgrund der Schwierigkeiten, auf die er bei Verfolgung seiner Absichten bei den Ulmern stieß, in der Verfassung der Stadt gefunden hatte, und in dieser Ansicht auch von den Patriciern bestärkt worden seyn mag; Karl V. löste die Verfassung auf und gab der Stadt am 18. August 1548 eine neue, wodurch die Aristokratie wieder die Oberhand erhielt. Statt des aus 72 Personen bestehenden großen und kleinen Raths wurde ein Rath von 31 Personen und zwar 21 aus den Geschlechtern und 10 aus den Zünften niedergesetzt, und alle wichtigen Ämter wurden wieder den Geschlechtern vorbehalten. Um jedoch die Unzufriedenheit und Erbitterung der Zünfte hierüber zu beschwichtigen, wurde der neu eingesetzte Rath noch mit 10 Gliedern, und zwar 2 aus den Geschlechtern und 8 aus der Gemeinde vermehrt, und am 22. August 1558 der Stadt ein neuer Schwörbrief, oder ihre neue Verfassungs-Urkunde gegeben, die dann auch bis zur Auflösung ihrer Unmittelbarkeit in Kraft blieb.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Ulm. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1836, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Ulm_Seite_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)