Seite:Oberamt Welzheim 040.jpg

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und dort die Gesangvereine vortheilhaft ein. Dieser rohen Ausbrüche der Lust ungeachtet, sind die Leute keineswegs sittenlos. Es ist vielmehr ein treuer, folgsamer, fleißiger Menschenschlag, und gutmüthig, wer ihn zu behandeln versteht. Er gehorcht der Obrigkeit, ist ehrerbietig gegen Vorgesetzte und ehrt seine Lehrer in Kirche und Schule. Der Waldbewohner wandert nicht leicht aus, weil ihm seine Wälder und Fluren so lieb sind, wie ein alter Freund. Die Ehen, wenigstens der Höhebewohner, sind meist geordnet, und wenn der Bube vergohren hat, wird er ein emsiger, aufopfernder Hausmann; denn sie lieben ihre Kinder, welchen die Bildungsfähigkeit aus den hellen Augen leuchtet. Es sind auch allermeist treue Unterthanen, und wissen die Verbesserung ihrer Zustände zu ehren. Nirgends widersetzen sich die Leute den Schuleinrichtungen, die doch so tief in ihr Leben einschneiden; wenn gleich nicht zu läugnen ist, daß die Gewohnheit des Herkommens noch häufig das größte Hinderniß der Cultur ist, indem auf dieselbe die Alten ebenso erpicht sind, wie auf ihre Hofnamen. Auffallend groß ist die Abneigung der Waldbewohner gegen Gewerbe mit sitzender Lebensart (s. unten); wo es aber gilt, Körperkraft und Muth zu entwickeln, da sind sie am Platze. Daher ist auch ihr Benehmen bei Feuersbrünsten ausgezeichnet. Dabei sind sie auf dem Markte des Lebens nichts weniger als dumm. Sie lieben ihren Nächsten und der Reiche borgt auch dem Armen. Für ihren Wohlthätigkeitssinn zeugen die öffentlichen Rechnungen und der Umstand, daß alle arme Kinder untergebracht werden können. Selbst der religiöse Barometer ist gestiegen, ohne einen hohen pietistischen oder andern mystischen Grad zu zeigen. Es herrscht zwar noch viel Aberglauben, besonders bei unerklärten Krankheiten. Alles, was sie nicht erklären können, ist „gemacht“ und verhext; sie opfern auch in katholischen Kirchen und bei Standbildern – aber thut dieses nur das Landvolk, unter diesem nur der Waldbauer? Der Grund mancher Fehler und Hemmnisse der Civilisation, aber auch der Grund mehrseitigen Wohlstandes, liegt in dem Vereinödungssystem; allein diese Zersplitterung hat selbst für dieses Landvolk viel Poetisches, und Manche sind in Wahrheit poetischer und witziger, als es, da es ihnen an freier Mittheilungsgabe fehlt, kund werden kann. Über Trunkenheit und abergläubische Gebräuche und Ansichten wird auch in den Thalorten geklagt; aber auch hier sind die Leute bei guten Naturanlagen in geistiger Entwicklung nicht zurückgeblieben, sie sind empfänglich für geistige Eindrücke, wohlthätig und kirchlich. Die industrielle Regsamkeit sollte aber größer seyn. In Bezug auf Sittlichkeit, religiöse Cultur und Sitteneinfalt zeichnen sich die Waldbewohner, die man häufig noch für so roh hält, vortheilhaft vor

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Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Welzheim. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 040. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Welzheim_040.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)