Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 025.jpg

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endlich kam, schalt der Adler, der der Meister der Vögel war, ihn wegen seines langen Ausbleibens; der Rabe aber sagte: er hätte unterdessen erfahren, daß morgen ein Thau fiele, wenn Jemand sich damit wüsche, so könne er sehen und wenn er noch niemals Augen gehabt hätte. Das hörte der Blinde unter dem Galgen, verharrte allda bis an den nächsten Morgen, wischte sich dreimal mit dem Thau die Augen und konnte nun wieder sehen. Jetzt setzte er seine Reise fort und kam in ein dickes Holz, da hörte er ein Winseln. Das kam von einem Pferde, auf dem ein Löwe, ein Windhund, ein Rabe und eine Ameise saßen, und von dem sie den Ritter schon verzehrt hatten. Sie riefen den Lehrling herbei und der Löwe gebot ihm, das Pferd unter sie zu theilen, denn sie waren darüber in Streitigkeit gerathen. Da sprach der Lehrling zu den Thieren also: „Dir, o Löwe, gebe ich die Haut des Pferdes, der Windhund mag mit seinen scharfen Zähnen die Knochen verspeisen, der Rabe soll das Aas des Pferdes haben und die Ameise mag in seinem Kopfe ihr Winterquartier aufschlagen.“

Mit dieser Theilung waren die Thiere zufrieden, und als der Lehrling eine Strecke weiter gegangen war, kam der Windhund hinter ihm hergesprungen und sprach: „Du sollst noch einmal zu meinem Herrn, dem Löwen, kommen.“ Nun denkt der Lehrling nicht anders, als daß er jetzt sterben soll. Aber der Löwe sagt: sie hätten vergessen nach der Schuldigkeit zu fragen wegen des Theilens. Der Lehrling antwortete zwar: das sei gern geschehen; aber der Löwe spricht: wenn er nicht fordern wolle, so gebe er selbst, sowie der Windhund und der Rabe ihm etwas von seinem Haupte. Wenn er das riebe, so wäre er das Thier, von dessen Haupte er das empfangen hätte, was er eben riebe, und auch die Ameise gebe ihm die Macht, ihre Gestalt anzunehmen, so oft er es wünsche. Das gefiel dem Lehrling, und er rieb sogleich die

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_025.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)