Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 185.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Der Kaufmann ließ rasch wieder ihre Hand los, denn er hatte nun auf den ersten Blick gesehen, daß das ein anderer Ring und ein anderer Halsschmuck war als der, den er ihr gegeben. Er geht sogleich aus der Stadt, ohne weiter mit seiner Frau zu reden. Die aber läßt der Gastwirth, dem nun der Rath der Stadt wirklich das ganze Vermögen des Kaufmanns zuspricht, mit ihrem Kinde aus dem Hause treiben, ohne daß sie erfährt, wodurch ihr Mann sein Vermögen an den Gastwirth verloren hat. Der Wirth aber, mit dessen Umständen es schlechter stand, als die Welt wußte, und der ohne diese Wette gewiß bald hätte als Bettler die Stadt verlassen müssen, heirathete die Magd des Kaufmanns und lebte mit ihr von dessen Gut in Wollust und in Freuden.

Der Kaufmann sucht nun wieder eine Stelle als Handlungsdiener und wird Buchhalter bei einem Kaufmanne in einer fremden Stadt, und da er sparsam ist, sammelt er hier sich Hunderte. So wird er wieder wohlhabend. Die Frau aber verkauft Zuckergebackenes im Korbe und fragt: „Beleiwet Se wat von miener Waare, miene Herrens?“ Denn die Herren, und besonders die jungen, hatten noch immer ein Wohlgefallen an ihrer Schönheit und kauften ihr am liebsten etwas ab. Davon ersparte sie sich auch etwas und schickte ihren Sohn, der nun mehr und mehr heranwuchs, in die gelehrte Schule. Die Herren aber schäkerten mit ihr und tadelten ihren Mann, der in die weite Welt gegangen war. Doch sie vertheidigte ihn immer wacker, und daß sie sich mit den Herren nicht einließ, versteht sich von selbst. Denn wäre sie ein wenig locker gewesen, so hätte der Gastwirth sich gewiß nicht mit dem Hemde, dem Ringe und dem Halsgeschmeide begnügt.

Als ihr Mann so viel gesammelt hatte, daß er glaubte ein kleines Kaufmannsgeschäft wieder eröffnen zu können,

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_185.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)