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geschehen ist. Was überhaupt das Anstößige in manchen Märchen für die Kinderwelt betrifft, so kann diese wie jede andere Märchensammlung sich in dieser Beziehung nur die stolz abwehrenden Worte und Erklärungen Wilhelm Grimm's in der Vorrede zu einer der Ausgaben der „Kinder- und Hausmärchen“ als Schild vorhalten[1]. Sollte aber Jemand die Abweisung aller dieser Bedenken als allzu kühn erscheinen, wenigstens in Bezug auf die Verhältnisse der höher und feiner gebildeten Stände, so brauchten wir doch wol nur daran zu erinnern, auf welche Weise die Märchenbücher dort benutzt werden. Nirgends liest man sie wie einen Roman, sondern es wird heute dieses und morgen jenes Märchen aufgeschlagen und in Familienkreisen vorgelesen, entweder von den Kindern oder von den Aeltern selbst. Manche liebenswürdige junge Dame verschmäht es auch wol nicht, den kleinsten Kindern täglich ein Märchen, welches sie sich vorher aus dem Märchenbuche einstudirt, aus dem Gedächtniß vorzutragen.


  1. Die Vorrede zur sechsten Auflage der beiden ersten Bände der Grimm'schen Sammlung (1850) ergänzt, was im hoffentlich nun bald neu aufgelegten dritten Bande derselben (2. Aufl. 1822) zur Geschichte und Literatur des Märchens zusammengestellt ist; ein kürzerer Aufsatz von L. Bechstein über das Märchen und seine Behandlung in Deutschland findet in der „Germania“, 2. Band, S. 316-328, und eine vortreffliche culturhistorische Studie über die Gesetze, nach denen die Handlung im deutschen Volksmärchen vorschreitet, und über dessen Sittlichkeit in Nr. 16 der Zeitschrift „Die Grenzboten“ von 1852. In der Einleitung seiner vortrefflichen „Beiträge zur Mythologie“ (1. Band, 1851) weist J.W. Wolf im Märchenschatz unsers Volkes seinen alten Mythenschatz nach. Von demselben erschien auch soeben „Die deutsche Götterlehre, ein Hand- und Lesebuch“, hauptsächlich nach Jakob Grimm's über jedes Lob erhabener „Deutscher Mythologie“ (2. Aufl., 1844).
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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite IX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_A_009.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)