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Ravensburg und sein Verkehrsleben
in den letzten dreihundert Jahren.




Auf Grund archivalischer Forschungen
von
Postrat Dr. Gustav Schöttle
in Tübingen.




I. [Vorgeschichte]

Die vortreffliche Verkehrslage, welche Oberschwaben von Natur aus besitzt,[1] wurde nach dem Ende des Mittelalters allmählich verkümmert und zuletzt geradezu in ihr Gegenteil verkehrt durch die Gebietszersplitterung des Landes und den verrotteten politischen Zustand des alten Deutschen Reiches. Die verwahrlosten Landstraßen, die Zollbeschwerden infolge übermäßiger Vermehrung der Zollstätten, die mangelnde öffentliche Sicherheit und viele andre verkehrsschädliche Erscheinungen waren die Ursachen, daß während des 17. und 18. Jahrhunderts der Landstrich zwischen Iller, Donau und Bodensee zu einem ziemlich weltabgeschiedenen, verkehrsarmen Erdwinkel geworden war, der von dem Transit und Großverkehr soviel wie möglich gemieden wurde. Davon machten nur die wenigen Plätze einigermaßen eine Ausnahme, die den Vorzug genossen, unmittelbar an der schönen Wasserstraße des Bodensees zu liegen.

Nur eine bestimmte Klasse von Verkehrtreibenden fühlte sich von Oberschwaben angezogen. Das waren die Zigeuner, Gauner, Landstreicher und sonstiges gemeinschädliches Gesindel. Diese Leute liebten die Gegend, weil sie sich hier, wenn sie in dem einen Gebiete verfolgt wurden, leicht und rasch in ein andres zurückziehen konnten.


  1. [S. 1, Anm. 1:] Der langgestreckte Wasserspiegel des schwäbischen Meeres mit seiner durch den Rhein dargestellten Fortsetzung bis Schaffhausen bot besonders für die Verhältnisse des Mittelalters ein ausgezeichnetes Verkehrsmittel dar (das freilich von noch größerem Nutzen gewesen wäre, wenn seine Längenachse, anstatt parallel derjenigen des Alpengebirgszuges zu laufen, rechtwinklig darauf zustoßen würde). Am Nordrande des Sees mündeten außer mehreren von Bayern und Tirol herführenden Verkehrslinien vier große Landstraßenzüge, von Niederschwaben und Franken herkommend. Alle diese vereinigten sich hier, um entweder über die Graubündnerpässe nach Italien oder über Zürich nach der Westschweiz und Südfrankreich weiterzuführen. Jene vier Straßen aus Schwaben kreuzten sich mit einer andern, welche das Elsaß und den obern Rheinwinkel mit Bayern und Österreich verband und seit den Tagen der Kaiser Max I. und Karl V. die österreichische Militär- und Poststraße blieb, bis der Breisgau überhaupt aufhörte österreichisch zu sein.