Seite:Ravensburg Verkehrsleben 02.jpg

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Eine der Routen, die Paris mit Wien verbanden, nämlich diejenige über Lünéville, Markirch und Kolmar[1] führte durch Oberschwaben. Dem elenden politischen Zustande des alten Deutschen Reiches ist es im Grund ebenfalls zuzuschreiben, wenn diese Verkehrsbeziehung, anstatt Nutzen zu schaffen, sich in eine verderbenbringende verwandelte, indem fast bei jeder von den vielen kriegerischen Verwicklungen, die zwischen Frankreich und Österreich eintraten, diese Verkehrslinie mithalf, daß Oberschwaben von den Kriegsheeren beider Mächte ausgesogen und verwüstet wurde.

Was die Stadt Ravensburg insbesondre betrifft, so war diese, wie in dem letzten Jahrgang unsrer Vereinsschriften von mir nachgewiesen wurde, ums Jahr 1400 daran gegangen, planvoll eine künstliche Verbesserung ihrer von Natur gegebenen Verkehrsverhältnisse herbeizuführen, wobei namentlich das Schiffbarmachen der Schussen eine Rolle spielte. Der bereits in der Ausführung begriffen gewesene Plan ist leider gescheitert infolge der verworrenen staatlichen Zustände jener Zeit und der damals noch unentwickelten Kanalbautechnik.

1486 gelangte das Gebiet rund um die Stadt herum, das Schloß inbegriffen, gänzlich in die Hände eines übermächtigen Staates,[2] nämlich Österreichs, von dem sich Ravensburg nunmehr völlig umklammert sah. Das Wohl und Wehe der Stadt hing seitdem in vielen Beziehungen von dem guten oder bösen Willen der österreichischen Beamten zu Altdorf ab. Vor allem sah Ravensburg seinen auswärtigen Verkehr dadurch unterbunden, und zwar vielleicht in einem höhern Grad, als wenn es selber zum österreichischen Untertanenverbande gehört hätte; denn in des Reichsoberhaupts eigenen Erblanden wurde der Verkehr der Reichsstädte als ausländischer behandelt.


II. [Handel]

Die volkswirtschaftlichen Verhältnisse des ganzen Landes waren im Schwedenkriege bekanntermaßen die jammervollsten geworden, die sich ausdenken lassen. Auch das früher so blühend gewesene Ravensburg machte keine Ausnahme. Es riß eine allgemeine Verelendung ein, die ihren Höhepunkt während der Raubkriege Ludwigs XIV. erreichte. Der Auslandshandel der Ravensburger Großkaufleute war schon zu den Zeiten Karls V.


  1. [S. 2, Anm. 1:] Auf dem Kamm der Vogesen, zwischen Markirch und St. Dié, hart an der heutigen deutsch-französischen Grenze steht oder stand wenigstens vor dreißig Jahren noch ein aus den Zeiten Napoleons I. stammender Kilometerstein mit der Aufschrift „Route de Paris à Vienne.“ Den 12. März 1910 beschäftigte sich der deutsche Reichstag und nicht lange zuvor auch die französische Deputiertenkammer mit den Wünschen des deutsch-französischen Komitees, das sich die Förderung des Baues einer mittelst eines großen Durchstichs der Vogesen zu erstellenden Eisenbahnlinie St. Dié–Kolmar zur Aufgabe machte und damit die Abkürzung der Verbindung Paris–Südschwaben, München und Wien erzielen wollte. Aussicht auf das Zustandekommen dieser Linie ist vor der Hand nicht vorhanden, da die französische Regierung und, wie es scheint, auch die deutsche dem Plan aus militärisch-politischen Gründen abgeneigt sind.
  2. [S. 2, Anm. 2:] Es waren dies teils Gebiete, die Österreich unmittelbar untertan waren, teils solche, über die ihm die Oberlehensherrlichkeit oder die Hochgerichtsbarkeit zustand. Diese letztere besaß Österreich sogar auch in dem Rest der ländlichen Herrschaften, welche sich Ravensburg und sein Spital in einem glücklichern Zeitalter zusammengekauft hatten. Von diesen besaß die Stadt am Ende des 18. Jahrhunderts noch den Ort Hinzisdobel und die Gemeinde Schmaleck, ferner der Spital Ravensburg die Gemeinden Mochenwangen und Wolpertswende. Die Niederlage des schmalkaldischen Bundes gab 1547 Österreich willkommene Gelegenheit, in einer ihm zusagenden Weise die Hoheitsrechte Ravensburgs erheblich einzugrenzen.