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Ich habe dem heute nichts mehr hinzuzufügen. Alles das gehört zum Hintergrund unsres Prozesses, den wir juristisch verloren haben, den wir aber einmal vor einer andern Instanz politisch gewinnen werden. Gemessen an den entscheidenden Fragen der heutigen Welt fuhr unser Prozeß nur auf einem deutschen Nebengleis. Aber er führte in die zentrale Frage der innern deutschen Politik.

Kleines Testament

Und item Maistre Bassanier
und Jean Moutaint, den strengen Richtern,
wünsch ich ein großes Renommé
bei Mördern, Räubern, Diebsgelichtern.
 Villon

In den nächsten Wochen wird der Panter, mein lieber Kollege, wahrscheinlich einige Nettigkeiten über mich schreiben. Glauben Sie ihm nicht. Leider bin ich nicht in der Lage, von meinem neuen Platz eine pressegesetzliche Berichtigung einzusenden. Wahr ist…

Es sind in diesen Tagen so ziemlich fünf Jahre vergangen, seit mir die Leitung der ‚Weltbühne‘ anvertraut wurde. Da stand das Erbe von S. J. in einer Zeit, die schnell alles von dem verlieren sollte, was die ,Weltbühne‘ hatte wachsen lassen. Niemand weiß besser als ich, wie viel ich dem edlen alten Glanz schuldig bleiben mußte. Die ,Weltbühne‘ war, so wie ich sie von S. J. übernommen habe, ein wunderbar getriebenes Metallgefäß, in dem die schönsten Dinge gesammelt waren, und so funkelte es verführerisch im Abendrot der bürgerlichen Zeit — ein letzter Kämpfer, der in edler Linie focht.

Heute ist alles mit Politik und Ökonomie vollgestopft, und aus einem Refugium der Schönheit ist ein Depot aller Sorgen geworden. Aber die ,Weltbühne‘ hat diesen Übergang gut überstanden, und ich verlasse die Redaktion in dem Bewußtsein, „das Blättchen“, wie S. J. so gern sagte, unversehrt durch ein paar Jahre getragen zu haben, die als Kriegsjahre zählen müssen und in denen noch mehr Charaktere als kaufmännische Unternehmungen zusammengebrochen sind.

Die politische Leitung wird Hellmut von Gerlach übernehmen, der uns seine reiche Erfahrung zur Verfügung stellt und durch eine ehrenvolle, niemals durch Konzessionen befleckte Vergangenheit die Garantie gibt, daß an der Haltung der ‚Weltbühne‘ nichts geändert wird. Vor mehr als dreißig Jahren begründete S. J. an der ,Welt am Montag‘ unter Hellmut von Gerlach seinen Ruf als Theaterkritiker. Vor mehr als zwanzig Jahren bildete ich als blutjunger Mensch meine ersten Arbeiten an seinem Beispiel.

„Jag durch die Welt vom nördlichen bis zum südlichen Kap —: es spielt sich alles unter zweihundert Menschen ab“

so dichtete Theobald Tiger.

Empfohlene Zitierweise:
Carl von Ossietzky: Rechenschaft. Berlin: Verlag der Weltbühne, 10. Mai 1932, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Rechenschaft_20.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)