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alles können und alles wissen und muß fortwährend meine ganze Kraft aufbieten, um nur das wenige zu retten, was ich habe — damit mir nicht auch das zerdrückt wird.

Jetzt lese ich Tristan und Isolde in der alten Sprache, es ist so wunderbar schön. Meist steige ich damit in einen Baum und schaukle mich in den Zweigen und denke an Dich.“


18. Mai

„Kennst Du das Gedicht von Ibsen: ‚Sie saß schon frühe — im Lebensmai — in der Galerie — vor ihrer Staffelei? —' Und den Schluß, wie sie immer noch da sitzt und von ‚leuchtenden Schönheitstagen' träumt, als der Lebensmai längst vorüber ist?

Vielleicht wird mein Schicksal ähnlich fallen. Und wenn Du nach vielen Jahren heimkommst und Dir Dein Leben aufgebaut hast, groß und schön, findest Du mich immer noch an meinem Fenster — aber zerstört — vernichtet und fürs Leben verloren.

Und das mit dem Jäger — ich las heute gerade die beiden wieder — erinnerst Du Dich — wie er den andern mit magischer Gewalt auf einen Berg hinaufzieht und dort festhält. Und von droben sieht er alles vergehen, woran er hing: sein Haus brennt auf, während der Jäger von der schönen Beleuchtung spricht. Seine Braut zieht mit einem fremden Mann zur Kirche — aber er bleibt auf dem Berg, und wie alles vorbei ist und tot da drunten, ist er stark geworden und gefeit: Mein Leben im Tale auf ewig tot — Hier oben Gott und ein Morgenrot — dort unten tappen die andern —.

Vielleicht fällt es auch so — —“


1. Juni

„Morgens halb vier — eben sind wir vom Ball gekommen durch den schimmernden, tauigen Sommermorgen. Uns liefen Rehe über den Weg. Wie kann man da zu Bett gehen? Ich habe unsinnig getanzt

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0568.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)