Seite:Reventlow Werke 0593.png

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weißen, friedlichen Landpastorat — wasche Zimmer auf, putze Lampen und stehe am Herd — „frühmorgens, wenn die Hähne krähen“.

Seit dem ersten Oktober bin ich hier — wurde wie ein sibirischer Sträfling hergebracht — man ließ mich keine Wagenstrecke allein fahren. — Vorher in Kronsee mußte ich noch eine Art Kontrakt unterschreiben, daß ich keine heimlichen Briefe abschicken, nie allein zur Stadt gehen und mich in die Hausordnung fügen wollte. Es ist nur gut, daß ich im Seminar von der reservatio mentalis gelernt habe.

Am ersten Abend habe ich mir gleich das Haus darauf angesehen, wie man von hier ausreißen könnte — Türen, Fenster, alles. Ich war eigentlich auf lauter neue Quälereien gefaßt: Verhöre, Bußpredigten, Überwachung — aber nichts von alledem. Es sind sympathische Menschen, die mir nur mit Takt und Freundlichkeit entgegenkommen, — was ich im Gegensatz zu meiner Familie doppelt wohltuend empfinde. Ich mag sie alle gerne und es ist eine einfache, heitre Atmosphäre, in der ich mich wohlfühle. Ja, Lisa, es läuft der Hase manchmal wunderlich — daß ich mich in einem Pfarrhause zum erstenmal wohlfühlen würde, hätte wohl zur Zeit unsrer „Ansichten“ niemand gedacht. Mit letzteren läßt man mich ganz in Ruhe, und ich mache stillschweigend Kirchgänge und Andachten mit. Ebenso fragt man nicht danach, was ich in meiner freien Zeit anfange und was für Briefe ich bekomme. Ihr könnt mir also ruhig hierherschreiben, und wie lechze ich nach einem Wort von Euch. — Kinder, wie habe ich diesen Sommer oft nach einem Briefkasten ausgespäht, — hier kann ich meine Briefe ungestört nach der Stadt bringen.

Alles in allem, Lisa, ich dehne mich in einem langentbehrten Gefühl von Frieden nach — und vor dem Sturm. Denn der schläft ja nur. — Bis zum Frühjahr bleibe ich hier, dann schreibe ich noch einmal heim, ob sie mich freiwillig gehen lassen. Dann haben sie die Wahl, ob sie mich zum Äußersten zwingen wollen. Es wird mir ja auch nicht leicht, mich für

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0593.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)