Seite:Reventlow Werke 0623.png

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aber gleich darauf faßte sie ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. „Nein, ich möchte gerne noch bei dir bleiben, aber ich freue mich doch auch so darauf, ihn wiederzusehen. Kannst du dir nicht denken, wie ich mich freue?“ Er nahm ihre Hand, mit der andern fuhr sie ihm langsam durch die Haare.

„Leon, ich darf mich nicht in dich verlieben, das wäre wirklich schlimm.“

„Auch nicht für einen Tag, wenn du doch so bald schon fortgehst? Kind, eigentlich waren wir doch alle beide verliebt, diese ganze Zeit, oder glaubst du nicht? — Und das Heute gehört uns noch, laß morgen morgen sein.“

Zu guter Letzt waren sie noch einmal alle zusammen nach einer von den kleinen weißen Sandinseln hinausgesegelt. Es sollte eigentlich eine Seehundsjagd sein, man hatte Flinten mitgenommen und lag den ganzen Nachmittag hinter den großen Strandsteinen auf der Lauer. Aber die meisten von ihnen hatten noch nie einen Seehund gesehen, und kam eins der runden schwerfälligen Tiere zum Vorschein, dann brachen sie in ein so schallendes Gelächter aus, daß es gleich wieder den Rückzug antrat. Keiner dachte auch nur daran, ihm einen Schuß nachzuschicken. Aber das war so vergnüglich, daß der Schiffer mehrfach zur Abfahrt mahnen mußte, und als sie schließlich aufbrachen, war die Flut schon so weit vorgerückt, daß man das Boot nur watend erreichen konnte. Lachend, schwankend und durchnäßt kamen sie endlich an Bord. Ellen und Leon wanderten, bis an die Brust im Wasser, noch dreimal um das Boot herum — sie wollten von einem alten Seemann erfahren haben, das sei ein sicheres Mittel gegen alle Seeunfälle. Dann sprangen sie wie bei Ellens erstem Auftreten mitten in das Schiff hinein, während das Wasser von ihren Kleidern niederrann.

„Ihr beiden,“ sagte der Regierungsrat und wiegte seinen schon etwas grauen Kopf hin und her, „was schaut ihr euch denn so an? Gebt euch doch lieber einen Kuß. — Was soll nur aus dir werden, Leon, wenn du sie nicht mehr hast?“

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 623. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0623.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)