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einmal angewöhnen, für mich selbst über mein Leben Chronik zu führen. Bisher sind solche Versuche immer bald wieder gescheitert — man bekommt gleich das dumme Gefühl, als ob man vorm Spiegel steht und Monologe darüber hält, wie man aussieht.

Die Malschulen feiern noch bis Oktober, so arbeite ich in einem Atelier, das fünf Malerinnen zusammen haben — vormittags Zeichnen und nachmittags Modellieren. Meine Wohnung ist nur ein paar Häuser davon, ein großes helles Dachzimmer, freundliche alte Wirtsleute.

Die Luft hat beinah etwas Südliches in diesen heißen Tagen, die Straßen ganz weiß von dem flimmernden Kalkstaub. — Und das Arbeiten in unserm großen kühlen Atelier, und dann wieder in die Sonne hinaus, den ganzen Tag sein eigner Herr sein, keinen Moment des Tages sich nach anderen richten zu müssen! So habe ich mir's geträumt, das ist endlich die Luft, in der ich leben kann. Mein Gott, und jetzt muß ich arbeiten, arbeiten bis aufs Blut, und dann faßt mich der Jammer an um all die verlorene Zeit, was für Jahre hätte ich jetzt schon arbeiten können. Und die Angst, ob meine Kraft doch noch voll ist — manchmal jubelt es in mir, und ich möchte alle Himmel stürmen, aber dann kommt wieder dies sonderbare Gefühl, als ob irgend etwas fehlte — als ob da irgendein toter Punkt wäre, über den ich nicht wegkam. Da habe ich nun, seit ich halbwegs selbständig denken kann, diesen Heißhunger nach der Kunst gehabt — wie man sich mit allen Gedanken nach einem geliebten Menschen sehnt. Aber in dem Augenblick, wo er da ist und man mit ihm zusammenschmelzen möchte in jeder Empfindung, da versagt wieder die innere Glut und man tut nur so, als wäre es, was es sein sollte. Manchmal glaube ich überhaupt, ich bin wirklich mit dem verkehrten Fuß auf die Welt gekommen und werde mich nie zurechtfinden.“


5. September

„Allmählich lerne ich meine Kolleginnen kennen, sie sind im ganzen ziemlich langweilig, nur mit der

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0628.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)