Seite:Reventlow Werke 0680.png

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Nachtluft. Ellen wußte jetzt plötzlich wieder, wo sie war —, daß jede Bewegung ihr weh tat und der brennende Durst ihr die Sprache raubte. Ein fremder Herr sorgte für ihre Sachen und brachte sie die wenigen Schritte bis zum Hotel.

„Ich danke Ihnen,“ sagte sie und fühlte, daß ihr Tränen übers Gesicht liefen.

Irgendwie kam sie dann die vielen Treppen hinauf in ein Zimmer und lag im Bett. Wieder war es Nacht, und sie wußte nicht, ob sie schlief oder wachte. Immer wieder kam derselbe Traum —, als ob sie von einer schwindelnden Höhe hinunterstürzte, ihre Glieder zerrissen und zerschellten, wollten sich wieder zusammenfügen und rieben sich gegeneinander wie mit lauter schmerzenden Stacheln. Dabei lag sie auf einer wogenden Masse, die sich hob und senkte —, im Kreise drehte. Das hörte nicht auf, begann immer wieder von neuem, bis alles in Fieberdelirien untersank.


Der Sommer ging zu Ende, und Ellen lag immer noch im Krankenhaus. Schwer und langsam gingen die Nächte hin, unter quälenden Vorstellungen, die sich immer wiederholten — eine unabsehbare Leiter mit hohen, schmalen Sprossen, die sie hinaufsteigen mußte, und bei der leisesten Bewegung wachten die zerrenden Schmerzen wieder auf und verscheuchten den Schlaf. Dann lag sie und sah nach der Tür, fühlte etwas wie Erleichterung, wenn sich von draußen ein Lichtschimmer nahte und die Schwester kam in ihrem friedlichen, weißen Schleier, das Nachtlicht in der Hand, und ihr wieder frisches Eis brachte. — Und so von Stunde zu Stunde, bis es Morgen war, dann wandte sie mühsam den Kopf nach dem Fenster und sah, wie es über Dächern und Bäumen allmählich heller wurde, lauschte auf jedes Geräusch im Hause, wie die Türen gingen, die Schwestern von der Messe die Treppe herauskamen, alles wieder erwachte aus der tiefen Stille.

Am späteren Vormittag kam der Arzt, manchmal brachte er noch andere mit, sie standen am Bett, stellten Fragen und redeten untereinander. — Dann war Ellen wieder allein, während die wechselnden

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 680. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0680.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)