Seite:Reventlow Werke 0686.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ich bin jetzt nicht mehr die verwöhnte junge Frau, der man jeden Wunsch an den Augen abliest —, und auch nicht mehr die unverwüstliche Ellen früherer Tage, der die größte Misere am lustigsten schien. Der schwerste Kampf wird jetzt erst beginnen, wo ich ihm eigentlich nicht mehr gewachsen und schon recht kampfmüde bin.

Da steht der Stock neben mir — der Stab Wehe — mein guter Doktor versichert mir, daß ich mit der Zeit wieder würde gehen können wie andere Menschen, aber dann redet er auch von Schonung und Pflege und ist entsetzt, wenn er hier heraufkommt: 'Kann denn niemand etwas für Sie tun?' — Aber das kann ich ihm nicht auseinandersetzen — — Reinhard tut immer noch für mich, was er kann, aber die Krankenzeit hat mehr verschlungen, wie ich ihm sagen möchte, und noch Schulden von früher her. — Es kommt eine ziemliche Misere dabei heraus. Nur gut, daß wir immer zwei sind, die Dalwendt ist jetzt auch ganz auf sich selbst angewiesen, und wir teilen gute und schlechte Tage wie früher.

Alles in allem bin ich ja gerade dahin gelangt, wo ich wollte, mein Leben gehört nur noch mir, ich kann daraus machen, was ich will. Ich bin auch noch jung genug — wie viele fangen in meinem Alter erst an hinauszukommen.

Wenn ich daran denke, wie ich mich in ganz jungen Jahren fürchtete, ich möchte nicht genug erleben! — Jetzt liegt viel hinter mir in den kurzen Jahren.

Die alten Briefe haben mich heute ganz wehmütig gemacht — Detlev, Friedl und all die andern.—Wir waren ja noch halbe Kinder damals, in unserer Begeisterung und unserem Pathos, fühlten uns als die Vorkämpfer einer neuen Zeit — jeden Augenblick wären wir bereit gewesen, uns dafür zu opfern.

Ich weiß wenig davon, was aus ihnen allen geworden ist und wie weit sie dem Damals ‚treugeblieben‘ sind. — Aber wer mag so dafür geblutet haben wie ich? — Ja, ‚der letzte Mut zu sich selbst‘ — ein blutiger Weg, der dahin führt —, der die Füße wund und müde macht.

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 686. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0686.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)