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Welt eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten von seltener Vortrefflichkeit geschenkt, vor wenigen Jahren als Direktor der Sternwarte in Athen starb; – mit Karl Otto Weber aus Bremen, einem Jüngling von sprudelndem Geist und unwiderstehlichem Liebreiz des Gemütes, dessen ausgezeichnete Leistungen als Mediziner ihm später eine Professur in Heidelberg gewannen, und der durch eine diphtheritische Ansteckung, die er sich bei einer Operation in einem desperaten Falle zuzog, seinen Tod gefunden hat, wie ein Held auf dem Schlachtfelde fallend; – mit Ludwig Meyer, der dazu bestimmt war, sich als Irrenarzt und Direktor verschiedener Anstalten rühmlich hervorzutun und dann einen Lehrstuhl an der Universität Göttingen einzunehmen; mit Adolph Strodtmann, der als Biograph Heines, als Verfasser einer Reihe von literargeschichtlichen Schriften und als Übersetzer Vortreffliches gesleistet hat, und von dem im Laufe dieser Erzählung noch oft die Rede sein wird; – mit Friedrich Spielhagen, in dem wir trotz seines etwas verschlossenen und seltsamen Wesens schon damals einen bedeutenden, sittlich und geistig hoch angelegten Menschen erkannten, und der später als Stern erster Größe unter die Romandichter des Jahrhunderts trat; – und mit einer weiteren Reihe von ebenso geistvollen wie liebenswürdigen jungen Leuten von ernstem Streben, die in der Folge zu ehrenvollen, wenn auch weniger hervorragenden Stellungen emporstiegen.

In diese Burschenschaft Frankonia wurde ich nun nach bestandenem Maturitätsexamen als vollberechtigtes Mitglied aufgenommen und fühlte mich, nachdem ich meine Schüchternheit überwunden, heimisch darin. Obgleich in dieser Gesellschaft fleißig und mit ernstem Zielbewußtsein gearbeitet wurde, so war ihr doch alle griesgrämige, kopfhängerische Stubenhockerei fremd, und es fehlte nicht an jugendlichem Übermut. Freilich brach dieser Übermut nicht, oder doch nur selten in denjenigen Exzessen aus, die sonst für das deutsche Studentenleben als charakteristisch gelten. Es gab allerdings einige unter uns, die im Biertrinken Erkleckliches zu leisten vermochten. Aber das Biertrinken wurde keineswegs als eine Kunst gepflegt, in deren Ausbildung man eine Ehre gesucht hätte. Noch weniger hatte der Mäßige von seinen Freunden Mißachtung oder Spott zu befürchten. Mäßigkeit war vielmehr die Regel, und wer diese Regel zu oft oder zu stark verletzte, mußte sich einen Verweis von den Vorstehern der Verbindung gefallen lassen und sogar der Ausschließung gewärtig sein. Ebensowenig nahmen wir an dem Duellunfug teil, in dem die studentischen Korps ihrem Ruhm suchten. Ich kann mich nur zweier Fälle erinnern, in denen, während ich zu der Verbindung gehörte, ein Frankone auf die Mensur ging, und diese Fälle rechneten wir uns keineswegs zur Ehre an.

Es gibt jetzt wohl kein zivilisiertes Volk mehr, in dem die aufgeklärteste öffentliche Meinung nicht das Duell als ein Überbleibsel der Barbarei vergangener Zeitalter ansieht und verurteilt. Während man eine ungewöhnlich tiefe Ehrenkränkung oder eine Schmach, die einer Verwandten oder Freundin zugefügt worden ist, vielleicht noch als eine Entschuldigung des Zweikampfs mit dem Degen oder der Pistole gelten läßt, so erkennt man das Duell doch nicht mehr als eine wirkliche Ehrenrettung, noch auch als einen Beweis wahren Mutes an, und der

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Carl Schurz: Lebenserinnerungen bis zum Jahre 1852. Berlin: Georg Reimer, 1911, Seite 064. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schurz_Lebenserinnerungen_b1_s064.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)