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suchen.“ Ich sehe ihn noch vor mir – er war ein bildschöner Mann namens Valentin –, der diese Worte sprach. So zogen die bewunderten Legionäre von dannen, und wir mochten nicht daran denken, wie furchtbar und wie schnell diese Voraussagung sich erfüllen könne.

Bald mußten auch wir Zurückgebliebenen an die Heimreise denken. Der einzige praktische Zweck, den der Studentenkongreß haben konnte, war erfüllt. Die allgemeine Organisation der deutschen Studentenschaft war beschlossen und der Vorort bezeichnet. Anlaß zu weitern Sitzungen gab es es nicht. Auch fing bei mehreren von uns das Geld an auszugehen. Aber mit jeder Stunde wurde die Trennung schwerer. Wir hatten einander so lieb gewonnen und unser Zusammensein war so genußreich, daß wir unsere ganze Erfindungsgabe anstrengten, um wenigstens noch ein paar Tage zu gewinnen. So wurde denn unter denen, die sich diesem Plan anschließen wollten, und ihrer waren nicht wenige, ein Zensus des noch vorhandenen Vermögens aufgenommen, um daraus eine gemeinsame Kasse zu bilden, aus der die Kosten des weitern Zusammenseins bestritten werden sollten, nach Zurücklegung des für die Heimreise eines jeden nötigen Betrages. Auf diese Weise gewannen wir wirklich noch einige Tage, die wir uns dann anschickten, nach Herzenslust zu genießen. Sofort wurden einige Ausflüge geplant, deren einer beinahe ein böses Ende genommen hätte.

Eines Nachmittags zogen wir zur Wartburg hinauf. Dort sollten ein paar Fäßchen Bier geleert und ein Imbiß verzehrt werden, und dann wollten wir nach Einbruch der Dunkelheit mit Fackelbeleuchtung den Berg herunter nach Eisenach zurückmarschieren. Da die lustigen Studenten unterdessen große Lieblinge der Eisenacher geworden waren, so begleitete uns eine bunte Menge nach der Wartburg, um sich an unserem Vergnügen mit zu freuen. Darunter waren weimarische Soldaten in nicht geringer Zahl, die in Eisenach in Garnison lagen. Nun wurden während unserer Fahrt von einigen von uns, wie das eben der Geist der Zeit mit sich brachte, politische Reden gehalten; und da die Erbitterung gegen die Fürsten, besonders gegen den König von Preußen, wegen des Malmöer Waffenstillstandes noch große Wogen schlug, so fielen einige dieser Reden in einen entschieden republikanischen Ton. Allmählich erhitzten sich die Köpfe, und ehe wir’s uns versahen, warfen mehrere der Soldaten ihre Mützen in die Luft, ließen die Republik hochleben und erklärten, daß sie sich unter den Befehl der Studenten stellen wollten. Unterdessen war der Abend gekommen, und die ganze Gesellschaft zog mit brennenden Fackeln und patriotische Lieder singend die waldige Höhe hinunter gen Eisenach. Das Schauspiel war reizend, aber die durch die Reden bei den Soldaten hervorgebrachte Wirkung hatte mir doch die Lust daran einigermaßen verdorben. So viel ich wußte, bestand kein Einverständnis, das einem Aufstande in Thüringen irgendwelche Unterstützung gesichert haben würde, und harmlose Leute, besonders Soldaten, zu einem plan- und aussichtslosen revolutionären Versuch anzuregen, der für sie die schlimmsten Folgen haben konnte, schien im höchsten Grade verwerflich. So sprach ich mich auch den Freunden gegenüber aus, in deren unmittelbarer Gesellschaft ich in Eisenach wieder einzog. Indes wenn es, wie wahrscheinlich, bei dem Geschehenen

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Carl Schurz: Lebenserinnerungen bis zum Jahre 1852. Berlin: Georg Reimer, 1911, Seite 099. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schurz_Lebenserinnerungen_b1_s099.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)