Seite:Studie über den Reichstitel 18.png

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und wird bald zu einem festen und besonders charakteristischen Bestandteile des offiziellen Reichstitels.

Was aber veranlaßte Friedrich Barbarossa, das Reich heilig zu nennen und diese Benennung in die Firma des Reiches aufzunehmen? Die Bezeichnung von Sachen, die zu der geheiligten Person des Imperator in näherer Beziehung standen, als sacer war im offiziellen Sprachgebrauch der römischen Kaiserzeit fehr gewöhnlich und fand sich auch besonders häufig im Corpus iuris civilis, mit welchem man am Hofe Friedrichs I. seit dessen Besuch in Bologna näher vertraut geworden war. Ausdrücke wie sacrae constitutiones, sacrum palatium, sacrum scrinium begegneten hier sehr häufig und zeigten, daß sacer fast identisch mit imperialis gebraucht wurde. Und wenn sacrum imperium sich hier nicht vorfand, so kannte man doch sacratissimum imperium am deutschen Hofe als ehrende Bezeichnung für das byzantinische Reich und verwendete sie gelegentlich in dorthin gerichteten Schreiben.[1] Auch für das römisch-deutsche Reich solch einen prunkvollen und theokratisch gefärbten Titel anzunehmen, konnte an sich schon das byzantinische Vorbild und die in Friedrich I. durch die Bologneser Juristen wohl erst neuerdings gestärkte Überzeugung, daß er als römischer Kaiser der unmittelbare Rechtsnachfolger der alten Cäsaren sei, genügenden Grund bieten.[2] Doch dürfte noch ein besonderer Anlaß für die Annahme des Titels in den damaligen politischen Verhältnissen gelegen haben.

Seit Mai 1156 war der spätere Kölner Erzbischof Rainald aus dem Geschlecht der Grafen von Dassel, damals Dompropst zu Münster, in das Amt des Hofkanzlers eingetreten und hat in dieser Stellung einen maßgebenden Einfluß auf die kaiserliche Politik gewonnen, den er in einer den Ansprüchen und Übergriffen der Kurie feindseligen und auf die Wahrung der Rechte des Reiches bedachten Richtung geltend machte. Er war es, der im Oktober 1157 auf der Reichsversammlung zu Besançon

durch eine kühne Interpretation einer wohl an sich unverfänglichen

  1. Brief Wibalds von Corvey an Kaiser Manuel von 1153, Jaffé, Bibl. I, 330.
  2. Über den Einfluß des Aufenthaltes Friedrichs I. in Bologna 1155 auf seine Anschauungen vgl. Simonsfeld, Jahrbücher Friedrichs I. Bd. I, 312–315, und besonders Anm. 119.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1910, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Studie_%C3%BCber_den_Reichstitel_18.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)