Seite:Tagebuch Russlandfeldzug 0040.jpg

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vielmehr äußerst geschmeichelt, obschon ihn weder Geburt noch Diplom zu dießer Anname berechtiget. – Die zweite Aufstufung des Adels, den Freyherrnstand, trift man hier seltener als in andern Ländern, Grafen und Fürsten hingegen vermehrter als in jenen an.

     Die geringste Claße des Adels, welche entweder nur ganz kleine unbedeutende Güther (wie in Sachsen die so genannten Freygüter) besizen, oder ganz unbegütert und unbemittelt sind, nennt man hier Schlachtschützen[1], eine Benennung die noch aus den alten Ritterzeiten von gewißen Kriegsdienstleistungen herrühren muß. Der größte Theil dieses Adels wohnt auf dem Lande, betreibt, da er kein Stammguth besizt und keine Frohndienste zu erwarten hat, seine Feldwirthschaft selbst, und ist gegen die übrigen Bewohner des Dorfs genommen, ein großer freyer Landmann, daher auch wohl von seiner Geringfügigkeit und Menge, das auswärts bekannte Spruchwort entstanden sein mag, daß in Pohlen der Edelmann hinter den Pflug hergehe. Treibt er auch diese Beschäftigung selbst, so wird er seinen Stand bei seinen geringen nothdürftigen Einkommen, doch immer durch einen gewißern äußern Anstand, reinlichere beßere Kleidung und einige Bildung auszuzeichnen suchen. Die Erziehung sämmtlicher Adelichen auf dem Lande ist der dortigen Clerisey überlaßen, deshalb sprechen die mehresten derselben auch lateinisch, oder wißen sich doch wenigstens in dieser Sprache verständlich zu machen.

Clerisey.     Obschon die Clerisey seit der Secularisation mehrerer Kirchen und Klöster, gegen sonst sehr vermindert worden ist, so trift man doch noch, sowohl in Städten als auf dem Lande Klöster beiderley Geschlechts an. Die wenigsten Dörfer hingegen besizen ihre eigenen Gotteshäuser, es machen deren mehrere==Anmerkungen (Wikisource)==

  1. Schlachtschützen - Bezeichnung der polnischen Adligen (vgl. Szlachta) nach polnisch: szlachcic
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F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0040.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)