Seite:Topographia Austriacarum (Merian) 077.jpg

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Melck / Melicum.

Dieses Stättlein ligt an der Thonau / in Unter-Oesterreich / und sehr wol; daher auch Lazius vermeynt / es habe dieser Ort vor Zeiten Medelicum, und Mea Dilecta, geheissen: Cuspinianus aber sagt / Er seye Ferreum Castrum genant worden / und habe einem Gysoni (andere haben Hemoni, zugenant Stillae) gehört / den Marggraff Leopold von Oesterreich / zugenant der Erleuchte / erlegt / und das eroberte Schloß in eine Kirchen verwandelt. Der galte Nahm aber ist / nach Cluverii Meynung / Nomale, hernach Nomare, gewesen / darfür die Teutschen Nomalck gesagt haben mögen. Das Stättlein / (so vor wenig Jahren / durch Feuer / etwas Schaden gelitten haben solle /) ligt unten am Wasser; aber das berühmte Benedictiner Closter / deme solches gehört / zimlich hoch / auff einem felsichten Hügel / also daß es nicht allein dem Stättlein / sondern auch der Thonau / und der Gegend herum / gebieten kan. Und hat es sich Anno 1619. gegen die Ober-Oesterreichische Ständ / so es mit den Böhmen gehalten / tapffer gewehrt / daß sie unverrichter Sachen abziehen müssen. Besagter Leopoldus, so Anno 988. nach der gemeinen / aber nach deß Ditmari, und zwar / wie es Andreas Brunner part. 2. Annal. Boicorum pagin. 690. darfür hält / bessern Rechnung / Anno 94. gestorben / und / mit sampt seiner Gemahlin Richarde, Käiser Heinrichs Schwester / allhie / mitten in der Kirchen / vor dem Chor begraben ligt / hat es gestifftet; wiewol besagter Lazius will / daß Marggraff Leopold der Ander (so mit seiner Gemahlin Frowiz auch allda lige) / und Albrecht der Dritte / erst Anno 1085. Mönche hieher gesetzt / auß dem Schloß ein Closter gemacht / und ihre Hoffhaltung von dannen nach Garß / und ins Schloß Kalenberg / versetzt: Und habe Marggraff Leopold der Heilige die Kirch allhie / so sein Vater angefangen / vollführet. Es liegen in solcher Kirchen viel Fürstliche Personen / von welchen besagter Lazius, wie auch Cuspinianus, zu lesen seyn / begraben. So ligt auch da S. Colmann / oder Colomannus, Königlichen Irrländischen Geblüts / welcher von dem Landvolck in Oesterreich für einen Verräther / und Kundtschaffter gehalten / und Anno 1012. zu Stockerau an einen Baum gehenckt / und folgends Anno 1014. allhie /von Marggraff Heinrichen zu Oesterreich / (welcher von den meisten Scribenten mit dem Rebellischen Marggrafen Henrico in Francken / wider Recht und Billigkeit / vermischet wird) begraben worden. Es ist dieses ein grosses Closter / und der reichisten eins in Oesterreich / von welchem ins gemein gesagt wird / daß es einen räisenden Metzen habe. In deß Stiffts Freysingen Geschichten wird gelesen / daß vom Bischoff Bertoldo von Wähing / einem Oesterreicher / und selbiger Fürsten Cantzlern / die in dem Closter Melck in Oesterreich vorhandene / und versetzte köstliche Bischoffs Insul / herkomme / so gedachter Bertholdus dem Stifft Freising vermeynt hatte / aber zuvor / nemlich Anno 1410. gestorben seye. Und stehet dabey / daß dieser Bischoff ihme deß Stiffts Freisingen ruinirte, und veraltete Schlösser / zu Holnburg / Enzerdorff / Weidthofen / Welß / Klingenfelß / etc. zu repariren, habe angelegen seyn lassen.

Und diß ist die Beschreibung dieses Orts vom Autore deß Buchs verfertigt: Weilen aber unlängsten von Ihrer Gn. dem Herrn Praelaten / etc. zu Melck / selbsten / nachfolgende Description, sampt der Abbildung / hieher auff Franckfurt / gesandt worden; So wird dieselbe gebürend auch allhie gesetzet: die also lautet: Closter Melck / war vor Jahren ein Castel / welches Claudionum genennt worden / Lazius aber will / daß er vorhin Mea Dilecta, wegen der schönen Gelegenheit des Orts geheissen / und solle es Julius Caesar, als er da vorüber geräiset / also genennet haben / davon hernach der Nahmen Medelick entsprungen. Auff dem Berg allda waren drey veste Wohnungen / die erste hieß Medelick / die andere Turris Mirabilis, Wunderburg / die dritte Castrum Ferreum, die Eisenburg. Dahero zu vermuthen / daß an diesem Ort Römisch Kriegsvolck gelegen / zu welchem ein Stein / so in der Kirchenmaur steht (darinnen Romulus und Remus sampt der Wölffin außgehaut ist) genugsame Anleitung gibt.

Umb das Jahr Christi 950. war dieses Marggraffthum Oesterreich durch Ableiben des Marggraffen Rudigeri, dem Römischen Reich / als ein apertes Lehen heimgefallen / welches Käiser Heinrich einem Grafen von Pabenberg mit Nahmen Leopoldo, so Richardam, Ottonis deß Hertzogen auß Sachsen Tochter zur Ehe gehabt / verliehen. Leopoldus der Erste kam alsbald mit einer zimlichen Kriegsmacht in das Land / und vertriebe auß Melck Gisonem, einen mächtigen Herrn auß Ungarn / welcher zur selbiger Zeit allda dominirte, liesse alsdann die vesten Gebäu niderreissen / und stifftete auff dem Berg Medelick ein Closter / in welchem zwölff weltliche Chorpriester waren. Nach dem nun Leopoldus dem Land Oesterreich viel Jahr wol vorgestanden / ist er zu Melck gestorben Anno 988. und allda sampt seiner Gemahl in Richarda begraben worden. Er hätte nach ihm verlassen. 2. Söhn / Henricum und Popponem, Poppo war Ertzbischoff zu Trier worden / Henricus aber / mit dem Zunahmen Contumax, succedirte dem Vatter in der Regierung. Zu dessen Zeiten nemlich Anno 1012. ist S. Colomannus von Königlichem Geschlecht auß Schottland gebürtig / als er nach Jerusalem durch Oesterreich räisen wolte / zu Stockerau von dem Landvolck / für einen Verräther und Kundtschaffter gefangen / und an einen Baum auffgehenckt worden; zu Anzeigung aber seiner Unschuld / ist sein Leib anderthalb Jahr gantz unversehrt hangen blieben / wie dann einer allda / mit Nahmen Rumaldus, für seinen Sohn zu Vertreibung deß Podagra (welches auch geholfen) ein Stuck Fleisch von ihm geschnitten / und alsobald frisches Blut herauß gerunnen / als wann er erst denselben Tag gestorben wäre. Zu diesem hat auch die Witten / an welcher er gehangen / angefangen zu grünen. Dieser wunderbarlichen Thaten halber / ist der heilige Leib herab genommen / und in einer nächst bey Stockerau gelegenen Kirchen ehrlich begraben worden. Folgendes Jahr hat sich die Thonau über die massen außgossen / also daß die Kirchen meistentheils in dem Wasser gestanden / ist gleichwol durch sonderliche Schickung Gottes nichts hinein gerunnen.

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Provinciarum Austriacarum. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1679, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Topographia_Austriacarum_(Merian)_077.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)