Seite:Topographia Austriacarum (Merian) 122.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Draun gelegene Statt / vor Zeiten / von den Inwohnern / nemlich den alten Noricis, Willabs genant worden seye / darauß die Römer Ovilaba, Ovilava, und endlich Ovilanis, und Ovilatus gemacht haben; wie sie dann also in den tabulis, beym Antonino aber Ovilabis, Ovilavis, und sonsten Ovilia, und in einer alten Inscription Colonia Aurelia Antoniana Ovil, genant werde; welchen Nahmen Theils dem Closter Lampach geben. Wolffgangus Lazius lib. 12. Commentar. Reip. Rom. sect. 7. cap. 3. schreibet / daß Welß vor Zeiten Welas gehissen / und den Grafen von Labenbach (Lambach) und Welas / gehört habe / wie die alte Brieff außweisen; an welchem Ort etwann Falsiana, wie er muthmasse / gestanden / deren Scotus in Codice Praefecturar. Romanarum gedencke. Siehe unten / im Anhang / Lambach. Im 7. Buch de Migrat. Gentium fol. 317. sagt er Lazius, es habe Welß vorhin den Grafen von Scherdingen / Neuburg / und Lambach / gehört; seye hernach an das Stifft Würtzburg / und durch Kauff an Oesterreich kommen; wie dann in einer alten Chronic also gelesen werde: Hertzog Leupold kaufft wider den Bischoffe Haynrichen von Würtzburg / Welß / und die Leuth / und alles / so zu derselben Statt gehört. Es hat allhie ein gar schöne Vorstatt / und in der Statt ein Fürstliche Burg / oder Schloß. So ist auch deß vornehmen / und alten Geschlechts der Herren von Polheim (deren Grabschrifften daselbst in einem Closter gelesen werden) anderes Stammhauß / auch Polheim genant / allda an der Stattmauer / so ein eignes Thor in die Statt / und eine Brucken über den Stattgraben hat. Vide Itinerar. German. part. 1. fol. 306. sequent.


Wien / Vienna.

Diß ist die Hauptstatt in Unter-Oesterreich / die vor Zeiten zu Pannonia gerechnet worden / zur Rechten der Thonau gelegen / wiewol es nur ein Arm davon ist / so nahend zur Statt gehet; gleichwol man auff solchem die Schiffe / nach Gelegenheit der Zeit / und Höhe deß Wassers / stellen kan: Wann aber das Wasser klein ist / so müssen dieselbe / sonderlich die grosse / ein Meil Wegs oberhalb / umb Nußdorff / oder wol gar bey der Statt Closter Neuburg 2. Meilen von Wien / bleiben. Mehr als ein halbes Viertel einer Teutschen Meil von der Statt / gegen Mähren werts / seynd noch 3. andere absonderliche / und zum Theil gar grosse / und schiffreiche Aerm / oder besondere Flüsse / dieses sehr grossen Thonauflusses / über welche fünff Brücken gehen / die man im Nothfall / zu mehrer Sicherheit der Statt / abwerffen kan. Von Mittag hat die Statt ein kleines Wasser / so auch Wien genant wird / und das von denen gegen Abend gelegenen Bergen herkompt / so bald wächst und von dem vielen Regenwasser sich leichtlich ergiessen thut / etliche Mühlen treibt / und nicht weit von den Stattgräben sich in die Thonau ergiesset; und von Theils / als ob es ein Arm von der Thonau wäre / angesehen wird. Und von diesem Flußlein wollen auch Theils den Nahmen der Statt herführen. Es halten sonsten die Gelehrten darfür / daß solche Statt Anfangs Vendum, Vindobonna, und Vindomina; folgends von dem Römischen Kriegs-Obristen Annio Fabiano, Fabiana, und dann von den Teutschen Bian, Bien, und endlich Vien / und Wien / auch mit der Zeit von den Windischen Wydme / und von den Türcken Bez / seye genant worden; allda die Römer ihre Gräntzen besetzt / und ihre Legiones, oder Regimenter / Geminam, und Alaudam, oder Germanicam, gehalten haben / seye aber / zun Zeiten Käiser Augusti, und Tiberii, noch nicht vornehm gewesen / dieweil Vellejus, der unter der Regierung Tiberii gelebt / die Statt Carnuntum an der Thonau / unter Wien / für den nächsten Ort gegen dem Norico setzen thut / so Er nicht gethan hätte / wann Wien / so in Pannonia gelegen / und dem Norico am nächsten war / damaln berühmt gewest wäre. Aber mit der Zeit / sonderlich nach deme die Käiser Vespasianus, Trajanus, und andere / sich allhie viel auffgehalten / und oberwehnte ihre Legionen hierumb gehabt haben / seye sie vornehm worden: Daß man also nicht wissen kan / wer dieser Statt erster Erbauer gewesen: Folgends aber / nach dem sie viel Schaden gelitten / und fast bey die 400. Jahr wüste gelegen / solle ihr Henricus I. Fürst von Oesterreich / Anno 1158. wieder auffgeholffen haben: Und als König Reichard auß Engelland / auff seiner Raise auß dem gelobten Land / durch Ungarn und Oesterreich ziehende / nahend Wien / den 20. Decembris, Anno 1192. auffgefangen worden / daß Er sich (weil Er Hertzog Leopolden von Oesterreich gantz spöttisch gehalten / und ihme sein Wappen zu Joppe von der Herberg herab reissen / und ins heimlich Gemach werffen lassen) mit grossem Geld wieder erledigen muste / so wurde von solchem auch diese Statt verbessert / und erweitert / die der Zeit bey einer halben Teutschen Meil im Umkreyß hatte / und allda viel Antiquitäten seyn / von welchen Lazius hin und wieder in libris Reipublicae Romanae zu lesen. Sie ligt in einer gar lustigen Ebne / und auff einem an Getraid / Wein / und allerhand andern Früchten / und Nahrungs-Mitteln sehr geschlachten / und fruchtbarn Boden. Und wird sonderlich sehr viel Wein herumb gesamlet / und in die Statt geführet; daher auch das Wort Vienna versetzt / und in diese zwey / en vina, verwandelt / und Wien zu Wein gemacht wird. Und zwar so hat man dessen vonnöthen / weilen die Statt gar Volckreich / als die sechs mächtiger Nationen / der Teutschen / Welschen / Hungarn / Böhmen / Pohlen / und Slovacken / gemeine Herberg zu seyn scheinet; also / daß vor der Belagerung / und dem Krieg / den König Matthias Corvinus, mit dem Käiser Friderico IV. geführt / fünfftzig tausend Menschen / ohne die Kinder / allda seynd gezehlt worden / und offt allein in die siebentausend Studenten sich allhie befunden haben. Und wird noch die Anzahl der Seelen / so in- und ausser der Statt seynd / der Zeit auff sechzig tausend geschätzet; wiewol man die Gewißheit dessen nicht eigentlich erfahren / und wissen kan; weilen es da grosse / und weitschichtige Vorstätt

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Provinciarum Austriacarum. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1679, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Topographia_Austriacarum_(Merian)_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)