Gräbern der verfaulten Cörper eine grosse Menge Schmeer und Fett gefunden hätten. Und was hat man nicht überdiß bißweilen in denen Brunnen vor unverwesete Cörper gefunden? Insonderheit verdienet die in denen Gräbern geschehene Erhaltung des Gehirns in Verwunderung gezogen zu werden, dessen schmierichte und flüßige Materie doch sonsten am leichtesten sich verzehret. Petrus Borellus[1] erzehlet, „daß man einsmahls aus einem Brunnen in einem Dominicaner-Kloster die Gebeine von 60. erwürgten Soldaten, allwo sie über 80. Jahr gelegen, heraus gelangt, da denn in einem iedweden Hirn-schedel das Gehirne noch weich und ohne Gestanck gefunden worden.“
Es ist unsers Orts ietzo nicht, alle Ursachen der Unverweßlichkeit, die dieser und jener Gelehrter nach Veranlassung seiner Hypothesis vorbringt, zu untersuchen. Wir können sie alle unter einen Grund-Satz und Principium bringen, welches das allgemeine Leben oder die so genannte Vitalitas dieses Welt-Gebäudes ist. Wenn kein Menstruum oder Aufflösungs-Mittel in einem Cörper, der verwesen soll, verhanden ist, so kan auch keine Verwesung statt finden. Und dieses ist es auch, was wir bey unserm Hungarischen Wunder-Zeichen, das wir in der vorigen Dissertation beschrieben,
- ↑ in Observ. Med. Phys. cent. 2. p. 133.
Michael Ranft: Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern. Leipzig 1734, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tractat_von_dem_Kauen_und_Schmatzen_der_Todten_in_Gr%C3%A4bern_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)