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Ein Abend.


Als wäre nichts geschehen, wird es stille,
Die Glocken hallen aus, die Lieder enden.
Und leichter ward mir in der Thränen Fülle,
Seit Sie versenket war von frommen Händen.

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Als noch im Hause lag die bleiche Hülle,

Da wußt’ ich nicht, wohin nach Ihr mich wenden;
Sie schien mir, heimathlos, mit Klaggebärde,
Zu schweben zwischen Himmel hin und Erde.

Die Abendsonne stralt’, ich saß im Kühlen

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Und blickte tief in’s lichte Grün der Matten;

Mir dünkte bald, zwei Kinder säh’ ich spielen,
So blühend, wie einst wir geblühet hatten.
Da sank die Sonne, graue Schleier fielen,
Die Bilder fliehn, die Erde liegt im Schatten;

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Ich blick’ empor, und hoch in Aethers Auen

Ist Abendroth und all mein Glück zu schauen.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0118.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)