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Nach dem blanken Goldgefäß
Tasten gleich des Ritters Knechte,
Doch der Knappe tritt zurück,

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Spricht mit vorgehaltner Rechte:


„Dies ist eines Sängers Herz,
Herz von einem frommen Streiter,
Herz des Kastellans von Couci,
Laßt dies Herz im Frieden weiter!

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Scheidend hat er mir geboten:

Wann dies Herz nun ausgeschlagen,
Zu der Dame von Fayel
Soll ich es hinübertragen.“

„Jene Dame kenn’ ich wohl.“

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Spricht der ritterliche Jäger

Und entreißt die goldne Urne
Hastig dem erschrocknen Träger,

Nimmt sie unter seinen Mantel,
Reitet fort in finstrem Grolle,

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Hält so eng das todte Herz

An das heiße, rachevolle.

Als er auf sein Schloß gekommen,
Müssen sich die Köche schürzen,
Müssen gleich den Hirsch bereiten

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Und ein seltnes Herze würzen.


Dann, mit Blumen reich bestecket,
Bringt man es auf goldner Schaale,
Als der Ritter von Fayel
Mit der Dame sitzt am Mahle.

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Zierlich reicht er es der Schönen,

Sprechend mit verliebtem Scherze:
„Was ich immer mag erjagen,
Euch gehört davon das Herze.“

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0246.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)