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4. Don Massias.

Don Massias aus Gallizien
Mit dem Namen: der Verliebte,
Saß im Thurm zu Arjonilla,
Klagend um die Treugeliebte.

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Einen Grafen, reich und mächtig,

Gab man jüngst ihr zum Genossen,
Und den vielgetreuen Sänger
Hält man ferngebannt, verschlossen.

Traurig sang er oft am Gitter,

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Machte jeden Wandrer lauschen,

Theure Blätter, liederreiche,
Ließ er oft vom Fenster rauschen.

Ob es Wandrer fortgesungen,
Ob es Winde hingetragen:

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Wohl vernahm die Heißgeliebte

Ihres treuen Sängers Klagen.

Ihr Gemahl, argwöhnisch spähend,
Hatt’ es alles gut beachtet:
„Muß ich vor dem Sänger beben

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Selbst wann er im Kerker schmachtet?“


Einsmals schwang er sich zu Pferde,
Wohlgewaffnet, wie zum Sturme,
Sprengte nach Granada’s Grenze
Und zu Arjonilla’s Thurme.

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Don Massias, der Verliebte,

Stand gerade dort am Gitter,
Sang so glühend seine Liebe,
Schlug so zierlich seine Zither.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0248.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)