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seyen, und auf der andern Seite: daß, wenn der Markt nicht genügende Zufuhr – besonders an den ersten Lebensbedürfnissen erhält, und diese hiedurch so sehr im Preise steigen, daß der größte Theil des Volks denselben nicht mehr verdienen kann, Maasregeln zum Schutze des Käufers getroffen werden müssen.

Anderwärts sind diese Grundsätze auch längst anerkannt und ausgeübt; Frankreich und England erfreuen sich der größten Handels- oder Marktfreiheit, allein sie setzen derselben Schranken, sobald sie ihrem Volke verderblich wird: blos der Deutsche, gelehrt und – unbekümmert um die Wirklichkeit – am Begriffe festhaltend, kommt immer sehr schwer daran, eine Ausnahme von demselben gelten zu lassen.


§. 20.

Allein bei weitem nicht alle Dinge, deren wir bedürfen, können auf dem Markte gekauft werden; unsere Kleidung muß dem Leibe angepaßt, unsere Wohnung nach unsern Bedürfnissen etc. gebaut werden: wir können daher die Arbeit des Schneiders, des Maurers, des Schreiners etc. nicht schon fertig kaufen, wir müssen sie erst bestellen. Zwischen der Marktwaare und der bestellten Waare findet aber ein großer Unterschied statt; die erste liegt nach ihrer ganzen Beschaffenheit, nach ihrem Preise vor unsern Augen; bei der bestellten Arbeit hingegen müssen wir erst erwarten, wie sie ausfallen und was sie kosten werde; sie zurückzuweisen, wenn sie uns nicht entspricht, ihren Preis herabzusetzen, wenn er uns übermäßig dünkt, ist immer mißlich und führt gewöhnlich zu Streitigkeiten.

Bei der bestellten Arbeit erscheint daher hauptsächlich eine Maasregel oder ein Schutz erforderlich, daß der Bestellende nicht übervortheilt werde.

Diesen Schutz suchte man in der Vermehrung der Zahl der Handwerker mittels der Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit: durch die Concurrenz der Mehrzahl wollte man die Beschaffenheit und die Preise auch der bestellten Arbeit auf ihren rechten Stand bringen, sowie die Marktpreise durch freie Zufuhr ihre angemessene Höhe erhalten. Bei der großen Bevölkerung Württembergs läßt sich jedoch schon

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Christoph Leonhard Wolbach: Ulmische Zustände. Ernst Nübling, Ulm 1846, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ulmische_Zust%C3%A4nde_25.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)