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zu schaffen sucht. So liegen uns denn nun auch für eine der wichtigsten Seiten unseres Rechtslebens, das Lehnwesen, über die den Ausgang bildenden Verhältnisse der merovingischen und karolingischen Zeit die gründlichen Untersuchungen von Roth und Waitz vor, und es steht wohl zu hoffen, dass von dieser Grundlage aus eine genügendere Erörterung der Weiterentwicklung in den nächstfolgenden Jahrhunderten, wo noch so manches der Aufklärung harrt, nicht auf sich warten lassen wird.

Ist aber für solche Aufgaben die genauere Feststellung des Ausgangspunktes das unbedingt Nothwendige, so wird ihre Lösung doch auch wesentlich gefördert werden können durch eine Methode der Forschung, welche zunächst einen späteren mit genügender Sicherheit erkennbaren Zustand ins Auge fasst, damit für die zeitlich vorschreitende Forschung feste Zielpunkte hinstellt, zu welchen sie nothwendig gelangen muss, wenn ihre Ergebnisse stichhaltig sein sollen, und ihr dabei rückwärtsschreitend entgegenzukommen sucht, indem sie die Frage nicht ausser Acht lässt, wann und wie die für eine spätere Zeit als bestehend erwiesenen Zustände sich gestaltet haben dürften; denn die oft sehr sicher leitenden Anhaltspunkte, welche der spätere Zustand wenigstens für die nächstvorhergehenden Entwicklungsstufen bietet, werden bei der lediglich vorwärtsschreitenden Forschung kaum in vollem Masse ausgebeutet werden können.

Auch in dieser Richtung liegt nun für den bezeichneten Stoff eine überaus bedeutende Leistung vor in Homeyers System des Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher; einer Arbeit, welche insbesondere den Vorzug hat, dass sie nicht allein mit einer Gründlichkeit und Umsicht, welche nach dieser Seite hin fast den Ausdruck eines Abschlusses der Forschung rechtfertigen dürfte, die in den Rechtsbüchern enthaltenen Lehren systematisch entwickelt, sondern neben diesen auch in umfassendem Masse die in den Urkunden vorliegenden Aeusserungen des thatsächlichen Rechtslebens ins Auge fasst und darin das Mittel findet, „um in den Rechtsbüchern das dem Leben angehörige von blos theoretischen Gebilden, die wesentlichen, weit und lange waltenden Normen von Sätzen beschränkterer Geltung zu unterscheiden.“

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_007.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)