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Verschiedne: Wünschelruthe


Antonio gehorchte; bald aber begegnete ihm Juan, der sogleich das ganze Abenteuer, so er eben bestanden, ihm lachend erzählte. Zu Hause angelangt, wollte Antonio seinen Gefährten nicht in das Gemach lassen, wo er die Signora verborgen; aber indem er die Thüre aufschloß, schimmerte das Edelgestein auf Juan’s Hute so hell hinein, daß die schöne Gefangene, es erblickend, freudig erschrocken rief: „O lieber Herzog, tretet doch herein, und rettet mich selbst aus meinem Kerkern.“ Antonio versezte, es sey ja kein Herzog hier, sondern sein Freund und Stubengenoß, für den er nun Einlaß erbitte. Aengstlich und weinend fragte die Signora den Eintretenden: „woher habt ihr diesen Hut?“ Da erzählte ihr Juan die wunderliche Begebenheit, und nun erst trocknete sie die Thränen ihrer leuchtenden Augen, und wollte eben ihre Geschichte beginnen, als sie das Schreien eines Kindes vernahm. Freudig betroffen fragte sie die Jünglinge, wo das Kind sey und wem es angehöre, und bat dringend, es ihr zu bringen. Das geschah, und Juan berichtete, wie es ihm übergeben worden. Da drückte es die Signora in hoher Freude an ihre Brust, und nach langem Schweigen erst, während dem sie mit inbrünstigster Zärtlichkeit ihre Blicke und Lippen auf das Kind geheftet, sprach sie: „Ich bin Cornelia Bentivogli, und dies Kind ist die Frucht meiner geheimen Ehe mit dem Herzog von Ferrara, Alfonso von Este. Bei einer Freundin dessen genesen, wollte mich mein Gemahl eben insgeheim nach Ferrara entführen – denn mein Bruder ist sein heftigster Feind, - da entdeckte uns der, und fiel den Herzog meuchlings an, ich aber entfloh, den Tod fürchtend von meinem wüthenden Bruder, dem Geliebten Hülfe zu suchen und nach unserm Kinde zu eilen, das meine Kammerfrau einem vertrauten Diener des Herzogs übergeben sollte, euch aber, Don Juan, für diesen gehalten hat.“

Die Jünglinge überließen nun der Herzogin ihre Wohnung, und eilten, da die Morgenröthe schon zu nahen begann, an dem Orte, wo diese Nacht das Gefecht sich entsponnen, Nachricht über den Herzog einzuziehen. Aber jede Nachforschung blieb fruchtlos, und schon wollten sie trostesarm zur Herzogin zurück, als Lorentio ihnen auf der Straße entgegen kam. Schon früher mit den Spaniern bekannt, redete er sie an, und erzählte ihnen, was sie längst wußten, den Hergang der Nacht, und wie er nun sogleich nach Ferrara reiten und den Herzog ob der Entehrung seiner Schwester zum Zweikampf fordern wolle, aber in Verlegenheit sey, so früh und schnell würdige Begleiter zu finden. Sogleich erboten sich die Spanier dazu, im Stillen den glücklichen Zufall segnend, der ihrem Dienste für Cornelia so günstig war, und alsbald ritten die Drei, von mehreren Dienern begleitet, gen Ferrara.

(Der Schluß folgt).




Volkslied.
Aus dem Schottischen[1]




Ich schweifte umher so ganz allein
Da hört ich zwei Raben schaurig schrein,
Der eine wohl zu dem andern sprach:
Wo finden wir Atzung diesen Tag?
Ich weiß, dort hinter dem faulen Bruch
Liegt ein Ritter erschlagen, frisch genug,
Keine Seele hat ihn dort liegen sehn,
Nur sein Falke sein Hund und sein Liebchen schön.
Sein Hund der ist nun jagen gangen,
Es will der Falk die Waldvögel fangen,
Das Liebchen hat einen andern erkohren,
Bleibt uns die Mahlzeit doch unverlohren.
Du magst sitzen ihm auf der weißen Brust,
Die süßen blauen Augen pick ich mit Lust,
Eine Locke von seinem goldnen Haar
Flicht das Nest uns aus wenns zerrissen war.
Wohl mancher spricht um ihn traurendes Wort,
Wo er lieget soll keiner wissen den Ort,
Ueber die Knochen wenn nackt und bleich sie sind
Soll ewig hinfahren der kalte Wind.

Z.




Geschichte eines Algierer-Sklaven.




(Schluß).

Als zwei Tage darauf der Domherr Carl H..n früh auf die Jagd ging, kommt er über die Stoppeln an dem Pflüger Kerkhoff aus Bellersen vorbei, der ihm erzählt, sie hätten vor einer Stunde den Algierer im Kiel an einem Baum hangen gefunden. Da hat der Drost die Gemeindevorsteher zu sich kommen lassen und sie gebeten, dem Menschen, über dem ein ungeheueres Unglück am Himmel gestanden, nun auch ein ehrliches Begräbniß zu geben, und ihn nicht wie sonst Selbstmördern geschieht in der Dachtraufe oder hinter der Kirchhofs-Mauer einzuscharren, welches sie auch versprochen und gehalten haben.

Erst nach 8 Tagen führten die einzelnen Fäden über seine letzte Geschichte und seinen Tod zu einem Knoten, der

  1. Aus W. Scott Minstrelsy of the scottish border. V. II. p. 203.
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Verschiedne: Wünschelruthe. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1818, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_059.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)