Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 096.jpg

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Verschiedene: Wünschelruthe


nennen, wie auch einige von Tiek, Förster, Loeben, Arnim.

Es tritt dieß Buch recht frisch unter uns; ungetrübt und wohlthuend, was der Poesie nur möglich, hat es den Eindruck nach dem jüngst siegerrungenen Frieden in sich bewahrt; man hat die geliebten Waffen, müde der Anstrengung, aus der Hand gelegt, um mit dem Saitenspiel auch dem Innern Ruhe zu gewinnen. Indem man sich der Gegenwart ganz hingiebt, sich von der Vergangenheit trennt und leicht genießen will, erscheint das Gewöhnliche selbst einer anziehenden Betrachtung werth, und so kommt es, daß auch Unbedeutendes im Gesange nicht unwillig aufgenommen wird. Dabei wird jede Gelegenheit die schweren Opfer durch freudige, freie zu ersetzen, benutzt; und da wir durch unsern Helden wieder inniger mit der Vorzeit verbunden sind, tritt auch diese erwacht und stärkend anschaulich uns näher; und Worte die ungeduldig ans Schwerdt schlagen und früher wohl begeistert hätten, als man es entblößte, sind nun beruhigende Erinnerungen daß man es zu führen weiß. Nur Tiecks Gedicht: bei der Abreise einer Freundin, tritt durch seine Stimmung ernst in die Mitte wie ein Weiser, der das Leben überschauend Heil und Unheil in seinem Busen wägt und kräftig an die Freundschaft mahnt. Die geistlichen Lieder stimmen beruhigend mit ein, worunter uns die des vortreflichen verewigten Schenkendorf besonders rührend sind, als das letzte was er für uns noch lebend aus den Händen gab; er ist es wohl werth für so reichen Fährlohn, daß Sänger und Sängerinnen mit Liedern ihn über die Fluthen der Zeit begleiten und das Steuer einem Engel in die Hand gehen.

Eine sehr willkommene Gabe ist uns die Nachbildung des Danziger jüngsten Gerichts und mehrerer einzelnen Theile desselben. Der nicht sehr gelungene Umriß des Ganzen verdient Nachsicht, da die Arbeit, wie wir erfahren, das Unternehmen eines einzigen Kunstfreundes war, und die Erinnerung derer, die das Bild gesehen, auch hierdurch genugsam[WS 1] angeregt werden wird; die Abbildung des h. Michael hingegen ist zu loben, und die Umrisse der einzelnen Köpfe, auf dem Bilde selbst durchgezeichnet, ganz vorzüglich. Wir enthalten uns aller überflüssigen Urtheile über das herrliche Meisterwerk selbst und fügen nur hinzu daß wir besonders durch den so tiefen als lieblichen Charakter der Köpfe überzeugt sind, daß es ein Werk der Brüder van Eyk ist[1]. Die beigefügten Bemerkungen sind verdienstlich, die Nachricht aus dem unkritischen Cavalier aber beweist nichts als daß schon damals der Küster das Bild als ein Werk der van Eyk gezeigt hat, und es ist ja bekannt genug, daß es bis auf die neuesten Untersuchungen dafür gegolten hat, wo es denn dem Hugo van der Goes oder gar dem Mich. Wohlgemuth zugetheilt worden. Es muß sogar aus der frühern Zeit der Brüder seyn, wie die größere Strenge und Alterthümlichkeit der Composition, der Goldgrund[WS 2], die Chorkleider der Engel und andre Eigenheiten, von denen Johann wenigstens späterhin abwich, beweisen. - Es folgt ein Aufsatz von Helmina von Chezy: Ueber die Gemäldesammlung der Herrn Boiserce und Bertram[WS 3], der auch allerdings dankenswerth ist, da noch immer so wenig triftiges über die große Angelegenheit der deutschen Kunst gesagt ist. Die Verfasserin schwankt zwischen den zwei Hauptpartheien der Bewunderer der altdeutschen Malerei, zwischen denen welche die äußerliche Schönheit als eine angenehme Zugabe zu der innern oder der des Gemüths, dem eigentlichen Ziel der Malerei, betrachten, und denen welche überzeugt sind, daß diese sich durchaus erst in jener aussprechen könne. Sie neigt sich indessen zu der ersten Meinung, und scheidet sich hierin gewissermaßen von uns, da wir in der Hauptsache der letztern beistimmen. Die Beschreibungen der Bilder sind lebendig, und die vortreftichsten richtig herausgehoben. Indeß läugnen wir nicht, daß wir in den Beschreibungen von Fr. v. Helwig im deutschen Museum, obgleich dort weniger ein System im Auge gehalten ist, eine eigenthümlichere und unbefangnere Ansicht wahrnehmen, wobei wir keineswegs den Werth der gegenwärtigen verkennen.

Sa.




Alte Räthsel.



4.

Grise, grise, graue,
Steit alle Nacht in Daue,
Hatt weder Fleesch, noch Bloot,
Und deit doch alle Minschen goot.

5.

Jk weet en Ding,
Van Piperling,
Kann gahn, kann stahn,
Kann uppen Kopp
Na’r Karken gahn.

6.

De litje Jan Beelken
Sat uppen K–cksteelken,
Je länger, dat he satt,
Je korter, dat he was.

Aus dem Munde des Volks im[WS 4] Bremischen aufgeschrieben von Dr. Iken.


  1. Die Jahrzahl 1367 aus dem Leichensteine, welche auf sie nicht passen würde, bezieht sich gewiß nicht auf das Alter des Bildes, sondern auf den Tod irgend jemandes dessen Andenken der Künstler hier anregen wollte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: genügsam. Siehe Druckfehler S. 116.
  2. Fehlt in der Vorlage Siehe Druckfehler S. 116.
  3. Vorlage: Bertrano. Siehe Druckfehler S. 116.
  4. Vorlage: in. Siehe Druckfehler S. 116.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_096.jpg&oldid=- (Version vom 15.2.2020)