Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 106.jpg

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mehr um euch bekümmerte, ihr würdet nie besser als ihr seid. Ja Freund, ich bin noch fromm, was Sie so nennen;[WS 1] das heist alle mein Leben und Treiben wird beständig durch einen innern Ruf unterbrochen, daß Alles, was nicht mit, durch, und in der Liebe des Herrn geschieht, vergebens ist und verlohren, ja mehr als verlohren, daß es in einen ewig tödtenden Tod, in das Reich, in das Wirken der Hölle gethan wird. Darum aber schmerzt es mich euer Treiben anzusehn, denn von euch ist zu sagen, o Herr, verzeihe Ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun; und so drängt es mich immer, euch zu mahnen, und anzustoßen, und zu wecken. O so ihr erst dahin gelangt wärt, nur das menschlich Wahre und Große, fromm und würdig und ohne Eitelkeit, und niedrige Heuchelei und schmutzige Buhlerei um den Beifall und das Geld niedrigen Gesindels alles Rangs mit dehmütiger Begeisterung darzustellen; man würde euch nicht mehr verbieten das Heilige und Ewige selbst vor unsre Augen zu führen. Aber jetzt seid ihr ein so verruchtes Gesindel, daß euern Lippen das Heilige verboten ist, wie den Frommen das Fluchen. Wie muß eine Kunst versunken sein, die den Menschen zur Aufgabe hat, aber dessen Bestimmung, die Heiligung, nicht aussprechen darf, um diese nicht zu profaniren. Euch ist die niedre Welt angewiesen, ihr seid die frechen, lüderlichen, infamen Priester des vergänglichen Lebens, eure Schwungfedern holt ihr aus den Flügeln des Satans, eure Glut nehmt ihr nicht von dem Himmel und nicht aus der Hölle ihr bekommt sie aus der zweiten Hand, von des Teufels Feldschmiede im Bivouack des Todes, wo die Sünde Marketenderin und die Leidenschaft Feldprediger ist. So wundert euch dann nicht, daß ich wie der ewige Jude, der keine Ruhe hat, weil er dem kreuztragenden Heiland keine Ruhe auf seiner Bank vergönnte, manchmahl neben euch trete an das Feuer im Lager, wo ihr auf der Trommel um den Mantel des Herrn würfelt, und euch erzähle, was mir selbst geschah, weil ich that, was ihr thut. Denn nichts werfe ich euch vor, als meine eigne Schuld, alles was ich in euch vermisse, fehlt auch in meiner Brust, alles, wozu ich euch ermahne, darnach ringe ich selbst. Denn des Menschen Brust ist eine Schaubühne, und die Schaubühne sollte das darstellen, was in des Menschen Brust sein sollte, aber in beiden geschieht das Rechte nicht. So erlauben Sie mir dann wenigstens darum zu eifern und dahin zu ringen. Sehn sie, so bin ich leider erst fromm und frommer nicht.

(Die Fortsetzung folgt).




Das schlaflose Mädchen.







schottisch.

     Träumend bei des Meeres Rauschen
Das mich von der Liebe trennt,
Muß ich bang und müde lauschen
Weil es seinen Namen nennt.

5
     Furcht und Hoffnung, wie die Wogen,

Tragen hier und dort mich hin,
Und von ihm der fortgezogen
Flüstern sie mir in den Sinn.

     Euch die nie der Schmerz bezwungen,

10
Die ihr keine Thränen weint,

Hold von Scherz und Lust umschlungen
Freundlich euch der Tag erscheint!

     Süße Nacht sei mir gewogen,
Goldner Schlummer deck mich zu!

15
Singt von ihm der fortgezogen

Ihr Gedanken mich in Ruh.

Z.




Märchen vom Ritter und vom Vogel.




(Fortsetzung).

Sie war schon aus der Thür, als Franz noch in tiefem Erstaunen und Nachdenken da stand - woher sie ihn kennen möge? Voll bunter Gedanken warf er sich aufs Lager das so weich war wie grüner Sammt. Unten im Hause ward es bald still - nur hörte er den Vogel noch einmal recht laut singen:

O Königssohn du bist nicht weit
Die Königstochter hat noch Zeit
Bis sie ihn freit.
In stiller Stund
Deinen rothen Mund
Küßt ich in Waldesschatten wund.

Die Mondstrahlen die mit lieblichem[WS 2] Lächeln durchs Fenster lauschten, wiegten den müden herzenskranken Ritter bald in einen so festen Schlaf, daß er erst erwachte als die frischen Sonnenlocken, schon glänzend von[WS 3] dem golden Haupte auf den feuchten Boden fielen. Er eilte hinab in das finstre Stübchen, die Alte las ihren Morgensegen, grüßte freundlich und eilte hinaus um das Frühstück zu holen. Franzen war wunderbar zu Muthe, indem er bedachte, daß er nun bald von diesen geheimnißreichen Orte scheiden solle, an den sich so viel Liebes für ihn - sein künftiges Wohl und Wehe

Anmerkungen (Wikisource)

  1.  ; fehlt in der Vorlage. Siehe Druckfehler S. 136
  2. Vorlage: lieblichen. Siehe Druckfehler S. 136
  3. Vorlage: vor. Siehe Druckfehler S. 136
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)