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Verschiedene: Wünschelruthe


dichterische Anschauung, das Musikalische und den Witz in der Behandlung der Sprache, wie sie dafür erforderlich sind, so vielseitig geübt zu haben, daß es ihm nicht schwer werden muß, zumal nach der Vollendung des Ganzen, sich selbst in einigem Einzelnen noch zu verbessern, gleichsam zu läutern. (Es bedarf dazu nur einer strengen Entäusserung von jeder Art fremder und untergeordneter Rücksichten, ein durchgängig gleiches unbefangnes Abmessen an der Regel der reinen wahren Kunst, wie sie im Ganzen sichtbarlich ihm klar geworden ist). Doch würden ihm, wie jedem mitten im Streben nach höherer Vollkommenheit Begiffenen die Bemerkungen von Sachkennern gewiß so erwünscht als dienlich seyn. Er hat mit einer bisher nicht erreichten Treue, bis auf sehr wenige Ausnahmen, jeden Zug der Darstellung nachgebildet, ohne aufzutragen oder beyzumischen, noch einzuschnüren oder schwinden zu lassen. Die Anordnung der Rede ist von Tasso selbst mit einiger durch die Versart bestimmten Freyheit behandelt, und die Wortstellung durfte nicht einmal streng nachgeahmt werden. In den Begriffen und Merkmalen nach ihren Abstufungen, in den Bildern nach ihren Farbentönen ist Tasso durchdrungen und wohl wiedergegeben. Ein andres Hauptbemühn scheint auf Annäherung an die ältere, natürlichere Redeart gerichtet zu seyn, wovon die Benutzung einzelner sehr alter Ausdrücke noch getrennt werden kann. Es versteht sich, daß von diesen jeder willkommen ist, der besser als jeder andre bezeichnet, es sey die Sache selbst, oder ihren alterthümlichen Gebrauch. (Ein Wort wie Ger, das veraltet und ohne alle Eigenthümlichkeit ist, scheint kein Gewinn; zehn andre könnten eben so wohl in ein Schlachtgemälde aufgenommen werden). Was den ächtdeutschen Ausdruck betrifft, so sind Zusammensetzungen, wie Goldbeschwebung, Sternengold, (wenigstens an der Stelle, St. 65) mislich; Flügelheer (60) ist schielend, und uneben auch die Loose (il fato 71.) und dem wilden Hinsturz Zügel geben. (già St 1 ist erst, nicht schon) Ein Mißgriff mag es genannt werden, wenn der Vf. selbst die heidnischen Figuren, die der Dichter in sein unvergänglich Werk nun einmal eingeführt hat, und welche in mancher Hinsicht auch seines Jahrhunderts und seines Volkes Bildung angehn, verdeutschen will, Alekto in eine Hexe übersetzend, Aurora in eine Fee des Morgens (74, 1, wo der Ausdruck auch übrigens leidet). Es wachsen manche Dichtungen und Bilder aus einem Jahrtausend in das andre, wie Pflanzen sich von Zone zu Zone verbreiten. Wer will sie abwehren gegen der Natur mächtigen Willen, die zugleich Sonderung und Ausschließung bezielt, und Verstößung und Gemeinschaft? Nichts zeigt mehr die Gewandheit des Uebersetzers als die Kunst, womit durchgängig die weiblichen Reime beybehalten sind, was man für unausführbar gehalten zu haben scheint. Auch so wird von dieser Seite unsre Nachbildung den Italiänischen Reimen nicht ganz ähnlich, die ausser der Weichheit im Allgemeinen, in dem Spiel der vollen Doppelklänge, die bey uns nur Ausnahme seyn können, etwas sehr besondres und mannichfaltiges von großer Schönheit in sich tragen. Das aber die Stanzen mit abwechselnd männlichen Reimen etwas allzufremdartiges, und dazu einförmiges annehmen, wodurch der Bau der Strophe zu ihrem Nachtheil geregelt wird, scheint keinem Zweifel unterworfen. Der Vf. hat die ehrenwerthesten Vorgänger gehabt, in ihrer Art Erfinder, er hat mit jugendlicher Kraft begonnen gleichsam wo sie aufhörten, möge er das mit eben so viel Anlage als Fleiß Begonnene bald zu Ende führen; und jedes Lobs, jedes Vorzugs vor vielen die auf gleichem Felde sich am glücklichsten versuchten, wenn ihm solche, wie zu erwarten ist, zu Theil werden, sich erfreuen in der willigsten Anerkenntniß des Antheils, den in der Kette der Kunstentwicklungen jeder tüchtige Vorgänger an jedem zuletzt gelungenen Werk, je weniger in den Augen des oberflächlich würdigenden Haufens, um so mehr in denen des innerlich und geschichtlich abwägenden Beurtheilers billig in Anspruch nimmt. Das nachfolgende Bruchstück beginnt mit St. 37, wo Latin, nachdem Soliman ihm seine fünf Söhne niedergestreckt hat, diesen anredet.

F. G. Welcker.
37.

     „Ist denn der Arm - schreyt er dem Feind entgegen -
So gar verächtlich und so sehr geringe,
Daß, gegen mich dein stolzes Blut zu regen,
Trotz aller Kraftanstrengung, ihm mißlinge?“

5
Er schwieg, und schwang, wild, tödtlich seinen Degen;

Durch Stahl und Panzeringe schlägt die Klinge
Und trifft des Sultans Hüfte, daß die lauen
Bluttropfen ihm aus großer Wunde thauen.

38.

     Auf den Latin jetzt wandte Zorn und Schneide

10
Bei diesem Schreyn, bei diesem Schlag der Wilde.

Den Halsberg auseinander schlägt der Heide,
Zusammt dem harten Siebenlederschilde,
Und jagt dem Feind den Stahl in die Geweide;
Der Arme stürzt, und röchelt am Gefilde

15
Sein Blut aus, das in Strömen sich ergießet,

Und jetzt der Wunde, jetzt dem Mund entschiesset.

39.

     Wie im Gebürg ein Baum, der Hohn gesprochen
Im wildsten Kampf, vom Ost, vom Nord umkreiset,
Wann endlich ihn ein Wirbelwind gebrochen,

20
Den Wald, verwüstend, rings zu Boden schmeisset:

So stürzt er, wüthig, hin, nicht ungerochen,
Da noch im Sturz er Viele mit sich reisset!
Traun, für den kühnen Mann ein würdig Sterben:
Denn noch sein Umsturz bringt dem Feind Verderben.

(Die Fortsetzung folgt).




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