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Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik, Band 1, Heft 1–2

so darf sie nicht nach gewöhnlicher Sitte durchs Thor kommen, sondern durch eine Hecke, oder niedergerissenen Zaun, der gleich wieder zugemacht wird; das soll die Braut erinnern, daß sie hübsch zu Hause bleiben und nicht viel auslaufen soll. Der Bräutigam giebt der ankommenden Braut ein Brodt, wovon sie ein Stück abschneidet, und als ein Heiligthum bewahrt, das übrige aber an umstehende Arme verschenkt. Dies soll bedeuten, daß die Ehefrau freygebig und milde, aber auch immer so fürsichtig und weise seyn soll, daß sie selbst das Nöthige behalte.

Bey der Trauung behauptet der Bräutigam mit dem strengsten Ernst seien obern Platz, und leidet nicht, daß die Braut ihre Hand auf die seinige lege; sondern es heißt: Mannshand oben. Sonst ist der Bräutigam Aufwärter so lange die Hochzeit währt. Er darf sich nicht zu Tisch setzen, muß aufwarten, und seine Gäste bedienen. Doch das dauert nur einen Tag.

Die recht großen Hochzeiten dauren 2 Tage, am Ende des zweiten Tags, wird die Hochzeit mit einem sonderbar bedeutenden Tanz geschlossen. Alle Gäste männlich und weiblich, fassen die Enden eines Tuchs an, so daß zwei und zwei ein Tuch zwischen sich haben, und die ganze Gesellschaft durch die Tücher eine Reihe ausmacht. So tanzen sie erst das Feuer aus, drauf durch Stuben und Kammern, durch Ställe und Gärten, und dann im ganzen Dorfe herum. Voraus Musikanten und Koch; hintennach der Aufwärter mit einem zusammengewickelten Tuch, der Klumpsack heißt. Dieser prügelt die Langsamen, ruft woher sie tanzen sollen, verweist sie oft in die beschwerlichsten Gegenden. Sie müssen seinem Befehl immer bestimmt gehorchen. Haben sie sich auf diese Art bis zum Umfallen ermüdet, so ist die Hochzeit aus, und jeder wandert seine Straße. Indeß nimt diese Sitte ab; und ich hab es nur 3 mal in meinem Dorfe gesehen.

Erziehung.

Ihre Kinder werden hart erzogen, und laufen bey der rauhsten Witterung oft halb nackt herum. So bald es ihr Alter erlaubt, nehmen sie Theil an den Arbeiten des Hauses. Die Weber und Spinner gebrauchen sie zu ihrer Arbeit, und der Landmann beschäftiget sie mit Viehhüten.

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: Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik, Band 1, Heft 1–2. , 1784, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lisches_Magazin_Bd.1_H.1-2_110.gif&oldid=- (Version vom 1.8.2018)