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„Der bin ich,“ sagte Dung bestürzt, „woher kennst du mich denn?“

Der Wirt antwortete: „Heute Nacht erschien mir der Scherge vom Bergtempel und trug mir auf: ,Morgen kommt von der Kiautschoubucht ein Mann namens Dung, das ist ein guter Freund von mir.‘ Er beschrieb mir dann noch ganz genau Euer Aussehen und Eure Kleidung und sagte, ich solle mirs sorgfältig merken, und wenn Ihr kämet, solle ich Euch zuvorkommend behandeln und keinerlei Bezahlung annehmen, er wolle mirs reichlich vergelten. Als ich Euch nun kommen sah, da stimmte alles mit meinem Traume überein, deshalb erkannte ich Euch, Ich habe schon ein ruhiges Zimmer für Euch hergerichtet und bitte Euch vorliebzunehmen.“

Hocherfreut folgte ihm Dung. Der Wirt bediente ihn mit der größten Aufmerksamkeit und ließ es an Wein und Speisen nicht fehlen.

Um Mitternacht kam der Geist. Ohne die Tür zu öffnen, stand er vor seinem Bett, gab ihm die Hand und fragte ihn, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen sei.

Dung antwortete auf alles und bedankte sich noch dafür, daß er im Traum dem Wirt erschienen sei.

Er blieb einige Tage dort wohnen. Tagsüber ging er auf dem Großen Berg spazieren, und bei Nacht kam sein Freund, um mit ihm zu plaudern. Als er seine Geschäfte erledigt hatte, verabschiedete er sich von ihm. Er fragte dabei auch noch, wie es mit jenem Herrn Wang stehe.

„Sein Urteil ist schon gefällt“, erwiderte der andere. „Dieser Mensch hat Gewissenhaftigkeit geheuchelt und seinen Freund verräterisch zum Tode gebracht. Unter allen Sünden gibt es keine schlimmere als die. Zur Strafe kommt er nun als Tier zur Welt.“ Dann fügte er noch bei: „Wenn du nun heimkommst, mußt du stets auf deine Gesundheit achten. Vom Schicksal sind dir achtundsiebzig Lebensjahre bestimmt. Wenn die Zeit gekommen ist, so

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_188.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)