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Eine Narbe von der Größe eines Geldstückes hatte sich gebildet. Schließlich ward er wieder ganz gesund.


82. Die Sekte vom weissen Lotos

Es war einmal ein Mann, der gehörte der Sekte vom weißen Lotos an. Er verstand es, durch schwarze Künste die Massen zu betören, und viele, die nach seinen Zauberkünsten begehrten, nahmen ihn zum Lehrer.

Eines Tages wollte der Zauberer ausgehen. Da stellte er in der Halle eine Schüssel auf, die mit einer andern Schüssel zugedeckt war und befahl den Lehrlingen, auf sie achtzugeben. Auch warnte er sie, die Schüssel zu öffnen und zu sehen, was darin sei.

Kaum war er fort, da hoben die Lehrlinge den Deckel auf und sahen, daß in der Schüssel reines Wasser war. Auf dem Wasser schwamm ein kleines Schifflein von Stroh mit richtigen Segeln und Masten. Sie verwunderten sich darob und stießen es mit dem Finger an. Da kippte es um. Geschwind setzten sie es wieder zurecht und deckten die Schüssel wieder zu. Aber schon stand auch der Zauberer wieder da und schalt sie zornig: „Warum habt ihr mein Gebot verletzt?“

Die Schüler standen auf und leugneten.

Aber der Zauberer sprach: „Ist doch mein Schiff im Meer gekentert, wie könnt ihr mich betrügen!“

An einem andern Abend zündete er im Zimmer eine riesige Kerze an und befahl ihnen, achtzuhaben, daß sie nicht vom Wind gelöscht werde. Es war wohl um die zweite Nachtwache, und der Zauberer war noch immer nicht zurückgekommen. Sie waren müde und schläfrig, gingen zu Bett und schliefen allmählich ein. Als sie wieder aufwachten, war die Kerze erloschen. Geschwind standen

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_247.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)