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großem Nutzen. Wir hörten von ihm bestätigen, was uns bereits der englische Consul in Santa Cruz mitgetheilt hatte, daß wir höchstwahrscheinlich bei der vorgerückten Jahreszeit auf unsern sehnlichsten Wunsch, den Pik zu ersteigen, würden verzichten müssen; der Vulkan sei bereits weit herab mit Schnee bedeckt, und unter diesen Umständen die Besteigung des Gipfels ebenso schwierig als gefährlich. Doch erbot sich Herr Wildpret, uns nach Orotava zu begleiten und uns bei dem Versuche, möglichst weit von hier aus auf den Teyde hinaufzusteigen, behülflich zu sein. Es war keine Zeit zu verlieren, und wir beschlossen, schon am nächsten Tage von Santa Cruz nach Orotava hinüber zu gehen.

Orotava liegt beinahe in der Mitte der Nordküste von Teneriffa, etwa 8 Stunden von Santa Cruz entfernt. Um dahin zu gelangen, muß man auf der schönen, neu angelegten Kunststraße den östlichen Ausläufer des Esperanza-Gebirges überschreiten, eines langen, vielzackigen Basaltrückens, welcher von dem südwestlich gelegenen Pik aus in nordöstlicher Richtung sich bis nach Laguna hinzieht. Laguna, welches man nach Ueberschreitung des 2000 Fuß hohen Bergrückens in 3 Stunden von Santa Cruz aus erreicht, ist eine ansehnliche Stadt, in einer fruchtbaren Hochebene gelegen. Vor sehr langer Zeit war diese letztere ein Seebecken, daher auch der Name „Laguna“. Früher die Hauptstadt von Teneriffa, ist Laguna jetzt ziemlich verödet, ihre Straßen mit Gras bewachsen und ihre Dächer mit einer eigenthümlichen Localform des Hauslaub (Sempervivum urbicum) bedeckt. Nur im Sommer belebt sie sich. Wenn die drückende trockene Hitze in Santa Cruz unerträglich wird, ziehen alle wohlhabenderen Bewohner nach Laguna hinauf, zur Sommerfrische. Die Temperatur bleibt hier in 2000 Fuß Höhe immer sehr gemäßigt, durch naheliegende Lorbeerhaine und feuchte Nordwinde gekühlt.

Die nächste Stunde hinter Laguna führt in eine ganz andere Landschaft. Während man beim Hinaufsteigen von Santa Cruz immer nur über öde Lavafelder und durch starre, blattlose Cactus-Pflanzungen wandert, hier und da einen wilden Barranco überschreitend, glaubt man hinter Laguna plötzlich, wie durch einen Zauber, aus Afrika in eine fruchtbare Gebirgsgegend Mitteldeutschlands versetzt zu sein. Reiche Kornfelder bedecken das Thal in weiter Ausdehnung, eine goldene Aue, wie in Thüringen. Aber die Camele, welche uns begegnen, und die Agavehecken, welche die Felder einfriedigen, erinnern uns sogleich daran, daß wir uns in der warmen Zone, und nicht im Juli, sondern im November befinden. Die Agave, irrthümlich bei uns gewöhnlich Aloe genannt, ist in Amerika heimisch, aber hier, wie an der ganzen Mittelmeerküste, angepflanzt und verwildert; auch wird

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_010.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)