Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 023.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

feste Eisdecke den steil abfallenden Aschenkegel wie eine polirte Stahlplatte überzog. Hier wurde der geologische Hammer, den ich mitgenommen hatte, uns vom größten Nutzen. Ich schlug damit Stufen in das Eis, in denen die scharfen Nägel unserer Schuhspitzen haften konnten, und auf allen Vieren kriechend, arbeiteten wir uns so mühsam weiter. Das ging aber nur sehr, sehr langsam und kostete gewaltige Kräfte. Nach wenigen Minuten erklärte der Führer, daß es ganz unmöglich sei, noch weiter hinauf vorzudringen, und daß wir bei der vorgerückten Tageszeit nunmehr nothwendig umkehren müßten. Vor Sonnenuntergang müßten wir aus dem Circus hinaus und bis zum Portillo würden wir bis dahin kaum zurück sein. Vergebens beschwor ich ihn, noch weiter vorzudringen, und versprach ihm eine ansehnliche Belohnung. Er blieb bei seiner Behauptung, daß es unmöglich sei, unter diesen Umständen die Besteigung des Gipfels zu erzwingen, und erklärte, daß er keinen Schritt weiter steigen werde. Nun wurde auch Herr Wildpret, der mich bis dahin treulich unterstützt hatte, wankend und versuchte, mich zur Rückkehr zu bewegen. Da ich ihm jedoch bestimmt erklärte, daß ich nicht vor Eintritt völliger Erschöpfung daran denken und vorher Alles aufbieten würde, zum Gipfel zu gelangen, ließ er sich nach einigem Zögern bewegen, mich noch weiter zu begleiten. Der Führer kehrte zur Rambleta zurück.

Das nun folgende Stück des Kegels, von kaum mehr als hundert Fuß Höhe, war die schlimmste Strecke der ganzen Bergfahrt. Fortwährend mußten wir Stufen in die harte Eisdecke hauen, und uns mit Händen und Füßen festhalten, um nicht auszugleiten. Ohne unsere vortrefflichen eisenbeschlagenen und bestachelten Alpenschuhe und ohne die Unterstützung meines alten Bergstocks und des Lorberstammes, den ich im Walde unten mir abgeschnitten, wären wir über dieses böse Stück niemals hinweg gekommen. Unsere Hände bluteten, zerschnitten von den messerschafen Kanten der Eisplatten und der glasartigen schwarzen Obsidian-Blöcke, an denen wir uns zu halten versuchten. Der Blutandrang nach dem Kopfe und die Brustbeklemmung, welche unsere ganze Gesellschaft schon unten im Malpays in der unangenehmsten Weise empfunden hatte, wurden höchst beschwerlich. Ich begann an dem Gelingen unseres Unternehmens zu verzweifeln. Herr Wildpret, der dicht hinter mir war, bat mich, stehen zu bleiben, und als ich mich umwendete, sah ihn ohnmächtig zusammensinken. Ich rieb ihm Stirn und Schläfe mit Schnee und flößte ihm ein wenig Rum ein. Dies und ein Blutstrom, der sich aus seiner Nase entleerte, brachte ihn bald wieder zu sich. Wenige Schritte weiter hatte ich dasselbe Schicksal, erholte mich aber gleichfalls rasch. Nach kurzer

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_023.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)