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nach den winzigen, sandreichen Culturen am rechten Ufer die Productivität des Landes beurtheilen wollte[1], würde daher in großen Irrthum gerathen. In der That hat auch der Weiße Nil ebenso fruchtbare Alluvionen wie der Blaue; wennschon ihm das Augit-reiche Verwitterungs-Produkt der vulkanischen Gebirge Abyssiniens mangelt, so ist doch sein Humus-Reichthum um so bedeutender, und der schwarz-graue Nilthon hier von einer Feinheit und Dichtigkeit des Korns, wie er in Nubien und Aegypten nirgends mehr angetroffen wird.

Um 5 Uhr Nachm. haben wir zur Linken die Insel Magauīr mit prächtigen schwarzerdigen, anscheinend gut bestellten Aeckern, auf welchen Weizen gebaut wird; um 6 Uhr passiren wir das durch drei schöne Harrās-Acacien, wie mit einer weithin sichtbaren Landmarke versehene Dorf Salehīēh und halten um 8 Uhr bei den Wod-Schēllaï genannten Dörfern, dem gewöhnlichen Halteplatze aller Nilbarken, wo man Rinder schlachtet und mit Merissa-Bier den Abschied von der Mahomedanischen Cultur zu feiern pflegt. Ein Ausflug zum gegenüberliegenden westlichen Ufer führte zum ersten Male in die Ssūntwälder, welche von nun an tonangebend den Vegetationscharakter der Nilufer bezeichnen. Vor 30 Jahren noch dichte von Meerkatzen belebte Urwälder, sind diese Waldungen nunmehr durch die fortgesetzte Ausbeutung für den Schiffsbaubedarf von Chartūm zu völlig gelichteten Hainen ausgehauen. Seit vielen Jahren bereits sind die Regierungs-Werfte weiter oberhalb auf den Schilluk-Inseln etablirt. Was man hier Ssūnt nennt (Ssunnut oder Ssant) sind zwei Acacien-Arten, welche im Habitus, Wuchs und Holz völlig übereinstimmend, aber dennoch, durch die Behaarung der Hülsen und Zweige bei der einen constant verschieden, in fortwährendem Gemenge unter einander angetroffen werden. Die kahle Art ist die nämliche, welche Aegyptens Dörfer umschattet und den Landstraßen daselbst ein so liebliches Aussehen verleiht (Acacia nilotica D.), aber wildwachsend in diesem übervölkerten Lande nicht mehr angetroffen wird; diejenige, welche auf den Zweigen und Paternosterschnurartigen Hülsen einen feinen, weißgrauen Filz aufweist, ist die in Indien und am Senegal verbreitete Art (A. arabica W.). Hinter dem hier an 1000 Schritt breiten Waldstreifen dehnen sich unabsehbare Durrafelder aus. Eine große und gelbkernige Varietät (Ssōfra genannt) dieses weit verbreiteten Culturgewächses (Sorghum vulgare Pers.) gedeiht hier in solcher Ueppigkeit, daß mir nur wenige Kolben zu Gesichte kamen, welche nicht wenigstens ¾ Fuß lang und 5 Zoll dick waren, Proben, die man Herrn Samuel Baker hätte überreichen


  1. Wie Baker gethan.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_030.jpg&oldid=- (Version vom 6.5.2018)