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zwei volle Stunden durch das Inundationsgebiet der Steppen-Niederung wandern muß.[1]

Da liegen die Barken eingekeilt in große Massen angetriebener Papyrus-Reste wie Nordpolfahrer im Eise, jeder neue Ankömmling kann nur mit großer Anstrengung sich hier ein neues Ruheplätzchen erwerben. Zu dem Ende wird folgende Prozedur vorgenommen. Die Barke geht etwas in das freie Wasser hinein und ankert; alsdann, wenn der Wind günstig vom Lande abtreibt, befestigt man ein Tau an dem starken Wurzelgeflecht der Papyrus-Scholle und zieht dieselbe soweit hinaus ins Freie, bis der Wind die Insel weiter führt und am gegenüberliegenden Ufer ansetzt. So schafft man ein Delos nach dem andern und sich den nöthigen Zutritt zum Ufer, welches indeß noch von einem Kranze dicht und festgewachsener Papyri etwa 15–20 Schritt breit verwahrt wird. Hier sucht man durch Feuer und Hackemesser sich Platz zu machen, und häuft auf die elastischen Rasen der Stoppeln so lange große Wurzelmassen umgeworfener Papyri, bis ein einigermaßen solider und trockener Pfad hergestellt ist.

Zur Zeit noch mit hübschen Buschgruppen und Hainen größerer Bäume geziert, welche die Axt der Fremden mit jedem Jahre mehr reducirt, fehlt es dieser kleinen Inselwelt trotz aller Einförmigkeit der hohen Papyrus-Horste und dem verbrannten oder dürren Steppengrase selbst im Sommerwinter des Landes nicht an gewissen landschaftlichen Reizen. Dichtbelaubte, immergrünende und dunkle Tamarindenkronen unter entlaubten, barok verzweigten Acacien in grauem Winterkleide grell hervorstechend, dazwischen die mächtigen von dichtem Schlingwerk und halbwindendem Strauchwerk umstandenen Candelaber-Euphorbien begrenzen in jeder Richtung, wenn der Blick über die Nachbarinseln schweift, den Horizont, und bilden oft reihenförmig, je nach dem Abstande vom Standpunkte des Beschauers, Farbenabstufungen von unendlich feiner Nüancirung, besonders in den frühen Morgenstunden, wenn bei schnell steigender Sonne ein träger Nebel noch auf diesen feuchten Niederungen lastet, und bald hier bald dort dem Rundblick Schranken setzt, welche, ein höchster Reiz landschaftlicher Bilder, dem Auge noch etwas zu wünschen übrig lassen und seine Neugierde rege erhalten.

Arm an den Flußriesen des Weißen Nils, wie überhaupt der Gazellenfluß, zeigen die Gewässer hierselbst indeß einen Ueberfluß an Fischen, unter welchen ein eigenthümlicher Polypteros am häufigsten


  1. Diese Lokalbildung möchte in Anbetracht der periodischen Veränderungen durch Ambatsch- und Papyrus-Vegetation nicht ohne Interesse sein. Lejean’s Karte bietet ein sehr verworrenes und ungenaues Bild.
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_100.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)