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Raphia vinifera, bald die Oelpalme Guineas zu nennen pflegen. Bald hinter Atēms Dorfe kreuzt man einen kleinen von hohen Bäumen anmuthig beschatteten Chor, der von O. nach W. fließt, und bei beständigem gleichmäßigen Ansteigen über offenes Buschland gelangt man nach einer Stunde zum großen von weiten Culturen umgebenen Dorfe des dem Kurschuk Ali zinspflichtigen Okēl. Derselbe empfing uns, wie alle diese sogenannten Schechs (Ortsvorsteher, Schech-el-belled), als Zeichen ihrer Würde mit einem langen Hemde von buntem Kattun angethan. 500 Schritt östlich vom Dorfe fließt in einer Richtung von SSO. nach NNW. ein bedeutender Bach dem Djūr zu, welcher von einer großartigen Waldscenerie umgeben ist. An seinen schattigen Ufern stieß ich auf die Oel-Palme, Elaïs guineensis, welche hier stets steril und nur in Strauchgestalt auftritt, aber nichts destoweniger mit ihren 15 Fuß langen Blättern einen imposanten Eindruck gewährt. An 100 Fuß hohe Bäume von Syzygien, Oxyanthus, Filaea und einer eigenen Art Sarcocephalus bilden den schmalen Streifen dieses Hochwaldes; dazwischen ein dichtes Unterholz von mannigfaltigen Strauchformen, Mimosops, Coffea, einer durch die zehnrippigen faustgroßen Früchte und fußlangen Blüthen ausgezeichneten Gardenia, viele andere Rubiaceen, alle mit einander verstrickt durch massige Lianen von Carpodinus, Dioscoreen, Convolvulaceen und Culcasien vermehren den beständigen Schatten, in dessen Schutze am Boden dichte Staudenmassen großblättriger Sabicea wuchern, untermischt von den riesigen Kolben des Amorphophullus, der von einer fußlangen purpurnen Spatha umhüllt erscheint und Blätter besitzt, welche auf Stielen von 10 Fuß Höhe getragen, aus der colossalen Knolle aufschießen.

Nachdem wir von dieser interessanten Localität mit einem Bogen nach OSO. wieder Agāds Gebiet beim Dorfe des Mauīhu betreten hatten, kamen wir nach 1 Stunde und 11 Minuten beim Dorfe des Dimō wieder auf den alten Weg und 50 Minuten später zur kleinen Seriba Djur-Ewet zurück.

Der Rest meines Rückzuges bot nichts von besonderem Interesse dar, und so befand ich mich nach 15tägiger Abwesenheit wieder in der großen Seriba Ghattās, wo inzwischen die von den Niām-Niām zurückkehrende Elfenbein-Karavane neues Leben hervorgerufen hatte. Bald war auch hier der gleichmäßige Takt des alltäglichen Lebens wiedergewonnen, und ein Tag verstrich mir nach dem anderen in vertrautem Umgange mit der Natur. Nirgends hatte ich unbehinderter meinen Beschäftigungen nachgehen können als hier; was kümmerten mich die Leute, ich war ganz allein in diesem heiligen Tempel der Natur. Die Bosheit der Menschen, indem sie den Contrast zu der reinen Natur nur umsomehr hob, vermochte nicht im mindesten die

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_136.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)