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Aber selbst wenn wir annehmen wollen, daß der etwas mythische König Saef aus dem Stamme der Berdoa zu einer Zeit zur Herrschaft in Bornu gelangte, als sein Stamm noch seine westlichen Wohnsitze inne hatte, und daß dieser erst viel später mit der sinkenden Macht des Bornureiches nach Osten vorgedrungen sei: so scheint mir, daß die Tibbu zu allen Zeiten durch die glückliche Beschaffenheit ihrer von Wüsteneien umgebenen und großentheils durch Berge unzugänglichen Wohnsitze stets stark genügt in der Defensive waren, um einen äußeren Feind von beschränkter Zahl an der dauernden Besetzung einer unbedeutenden Oase zu verhindern, und nicht lammesmüthig genug, ihm so lange Zeit und in so großer Ausdehnung zu gehorchen.

Das letzte Argument würde sehr an Bedeutung gewinnen, wenn sich meine Vermuthung, daß die Wohnsitze der Berdoa, welche eine Karavane, die von Udžila südlich zog, entdeckte, mit dem weiten, fruchtbaren Thale Bardei im östlichsten Theile Tibesti’s identisch sind, bestätigen sollte. Dies Thal ist in der That für Leute, welche mit Waffen kämpfen, welcher sich Tibbu und Tuareg bedienen, fast uneroberbar. Es scheint mir in der That durch Name und Lage viel besser der Relation Leo’s zu entsprechen, als das hypothetisch acceptirte Borgu. Nennt er nicht die Berdoa auch Bardeïtae? Liegt es nicht südlich von Udžila und näher dieser Oase, als Borgu, dessen Annahme aus diesem Grunde vielen unstatthaft schien? Seine geringe Ausdehnung involvirt keinerlei Unmöglichkeit oder Unwahrscheinlichkeit; noch jetzt umfaßt es fast die Hälfte der Bevölkerung Tibesti’s in, so viel ich weiß, acht geschlossenen Ortschaften. Ist das Thal Bardeï, deren Einwohner noch Bardēoa genannt werden, identisch mit den Leo’schen Wohnsitzen des „Berberstammes der Berdoa,“ so wird Barth’s Ansicht unhaltbar. Schon die Erklärung des Namens würde äußerst schwierig werden. Entweder wäre der Name Bardoa oder Berdoa, wie es selbst Barth scheint, von Tedā-Ursprung, und dann müßten die erobernden Berber den Namen der unterjochten oder doch besiegten Tibbu angenommen haben, oder aber der Name ist trotz seines Klanges von Berber-Ursprung, und dann müßten die vertriebenen und besiegten Tibbu, als sie wieder in Besitz ihrer Heimath gelangten, den Namen der verhaßten Eroberer angenommen haben; beides ist natürlich gänzlich unzuläßig. Wollte man dieser Argumentation entgegentreten durch die Annahme, daß die Berdoa Leo’s erobernde Berber seien, welche die gewonnenen Wohnsitze bis auf den heutigen Tag occupirten und sich nach und nach mit den Tibbu-Elementen vermischt hätten, so würde dies ebensowenig stichhaltig sein, da doch sicherlich in diesem Falle Anklänge an die frühere Heimath, Reste der Berbersprache, physische und psychische Eigenthümlichkeiten bei den jetzigen

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_225.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)