Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 279.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

russisch abgefaßte Karte (in gleichem Maßstabe, wie die Scheda’sche) P. v. Tschihatscheff’s und Sperling’s von mir bearbeitete und herausgegebene Itinerare, Lebas, Perrot’s, Newton’s Specialkarten ihrer Routen u. s. w. sind für den Bearbeiter dieser Partie einfach nicht vorhanden gewesen. Der Standpunkt der Kartographie ist für ihn hier seit einem Vierteljahrhundert unverändert stehen geblieben!

Es ist kaum zu vermeiden, in einer Karte, die in ihrer Zusammensetzung klassische Länder von so eminent historischem und archäologischem Interesse umfaßt, in den Benennungen der natürlichen Formen (zumal Flüsse und Gebirge in gegenwärtigem Volksgebrauch zum Theil mehrfach wiederkehrende schwer unterscheidbare Benennungen tragen) so wie der wichtigeren bis in’s Alterthum hinaufreichenden Städte und Städteruinen, auf die klassischen Namen Rücksicht zu nehmen und es pflegt dieß mit mehr oder weniger Urtheil, resp. Glück ziemlich in allen Karten dieser Länderräume zu geschehen. Hier aber einmal mit besonderem Unglück, so daß eine gänzliche Nichtberücksichtigung der historischen Namen der Karte mehr zur Empfehlung gereicht hätte, als dieses bunte Durcheinander von richtigen und falschen, von aufgenommenen unwichtigen Nebensachen und fehlenden Hauptnamen, ohne alle Consequenz, ja mit verschiedenster Behandlung der unmittelbar an einander stoßenden Sectionen[1].

Die ganze Nomenclatur und die damit zusammenhängende, bei einer Karte eines so vielsprachigen Landes besonders wichtige philologische Thätigkeit der Transcription der in den verschiedenen Dialekten mit verschiedenen Alphabeten


  1. Nur ein paar Beispiele statt vieler: von allen peloponnesischen Flüssen haben nur vier wichtigere und zwei Bäche der Nordküste ihre antiken Namen, gerade der Hauptfluß Alpheus nicht, wohl aber sein Zufluß Erymanthus, während klassische Bergnamen ganz fehlen, die mächtigsten Bergketten, wie Erymanthus-Olenos und Taygetus-Pentedaktylon sogar überhaupt unbenannt geblieben sind. Umgekehrt führen auf derselben Sect. XII in Nordgriechenland die Berge fast nur klassische Namen (Parnassus mit der modernen Unform Lyskuia statt Liakura!) und in demselben Landestheile, aber auf der anstoßenden Sect. X fehlen so allbekannte Gebirgsnamen wie Oeta, Othrys, Pindus wieder völlig; der Hauptfluß des inneren Nordgriechenlands, der alte Cephissus, jetzt Mavroneri, bleibt gleichfalls ganz unbenannt. Von den Städten ist im heutigen Königreich nur eine oder die andere mit ihrem alten Namen bezeichnet, in Thessalien außer dem noch jetzt seinen alten Namen bewahrenden Larissa nur das sehr unsichere Elatea, aber weder Pherae noch Pharsalus, weder Trikka noch Demetrias; in Macedonien wieder keine der Hauptstädte: Edessa, Pella, Thessalonice, Cassandria, Amphipolis, Philippi, sondern außer Berrhoea (durch Stichfehler Beroca) und Neapolis nur die ganz unbedeutenden alten Wegestationen Hatera (unsicherer Lesart und Lage) und Drabescus und zwar beide durch größere Schrift markirt! In Thracien (Sect. X) finden wir nebeneinander Unformen wie Serrum zu einer Ortschaft (statt des alten Vorgebirges Serrhium), Rotestus statt Rhaedestus, Tucullus statt Tzurullus, und in Asien Agae, Gyme statt Aegae, Cyme u. dgl. – kurz Verwirrung überall, zu deren Aufhellung der Herr Verfasser beim Mangel eigenen Urtheils doch in Wien wohl einen befähigten Gelehrten leicht hätte finden können. Dazu noch sind die historischen Namen in keiner Weise für das Auge kenntlich gemacht, der Leser muß sie kennen, um zu wissen was damit gemeint sein soll, denn die einfache Nebenstellung in Parenthese genügt nicht, da ebenso häufig moderne Namen oder anderssprachige Nebenformen (z. B. slawische oder griechische neben türkischen oder umgekehrt) auf dieselbe Weise eingeschrieben sind.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_279.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)