Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 284.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Tarbagataigebirge und am Südfuße des westlichen Altai beobachtete und aus dem Wirken von Kräften der organischen Natur sowohl wie aus Granitverwitterungen zu erklären suchte. Von dem Letztgenannten stammt ein großer Theil der astronomischen Positionen, welche die Karte von Mittelasien umgestaltet haben; einige Städte im Syrthale, z. B. Taschkend, Chodschend sind fast 25 Meilen südlicher gerückt, eine gleichbedeutende Verschiebung nach Osten trifft die Stadt Kaschgar in Osttürkistān. Unter den topographischen Arbeiten der Russen ist ferner die mit großen Schwierigkeiten verbundene Aufnahme des Balchaschsees zu erwähnen. Von den Völkern Mittelasiens sind uns durch russische Gelehrte (Walichanof, Wenjukof, Golubjef) und den Deutschen Radlof die im Thianschan nomadisirenden echten Kirgisen bekannter geworden. Dieselben sind von den nördlicher in der Steppe wohnenden Kaissak (oder Kirgis-Kaissak) ganz verschieden, wenn auch dem Rahmen derselben Sprachfamilie, der türkischen, angehörig. Die echten Kirgisen (bei den Russen Dikokamennyje, auch Kara-Kirgisen, bei den Chinesen Burút) zeichnen sich durch ihren rein türkischen Dialect und durch ihren Reichthum an Liedern aus; vom Islam sind sie nur äußerlich berührt. Bei den Kaissak ist erst in neuerer Zeit muhamedanischer Fanatismus hervorgetreten, der auch dem noch immer fortschreitenden Aufstande der Nordwestprovinzen China’s zu Grunde liegt. Die zur iranischen Rasse zählenden Tadjiks oder Ssarten, Haupttheil der städtischen Bevölkerung Mittelasiens, wurden als Halbnomaden und Handelsleute auch in den nördlichen Steppen angetroffen. Für die industrielle Entwickelung Rußlands wird der Besitz Türkistāns dadurch von Bedeutung werden, daß es Baumwolle roh hier ein- und fabricirt wieder verkaufen kann.

Herr v. Richthofen machte Mittheilung von einem Briefe seines in China reisenden Bruders, in welchem derselbe zwei nach verschiedenen Richtungen unternommene Ausflüge schildert. Der erste führte ihn an die chinesisch-koreanische Grenze zur Messe von Kaoli-mön. Ein zwischen China und Korea unbewohnt liegender, neutraler Landstrich, 7–12 deutsche Meilen breit, trennt beide Länder; alle auf demselben liegenden Ortschaften wurden tractatmäßig zerstört, um den freien Verkehr beider Nationen zu hemmen; nur im 3., 5. und 9. Monat darf in Kaoli-mön eine Messe stattfinden; den Koreanern ist daher das benachbarte Chi ein so fremdes Gebiet, daß sie den deutschen Reisenden anfangs für einen Chinesen hielten. Gebildete Koreaner verstehen die chinesische Mandarinensprache, nicht aber der Chinese die Sprache der Koreaner. Die Letzteren machten einen günstigen Eindruck, ihre Physiognomie erinnert an die Japanesen, sie tragen einen Zopf und ein Gittergeflecht von Binsen im Haar. Durch ihre Reinlichkeit stechen sie vortheilhaft von den Chinesen ab, nicht minder durch ihr Benehmen. Während die Chinesen zudringlich sind und den Reisenden durch ihre Neugier namentlich beim Essen belästigen, zeigten sich die Koreaner tactvoll und verließen während des Essens das Zimmer. Die europäischen Staaten, auch Preußen, kannten sie dem Namen nach; sie stellten allerlei wißbegierige Fragen und verriethen endlich Spuren eines Gemüthslebens, welche neben der kalten Verständigkeit der Chinesen sympathisch berührten. Dem Reisenden fielen zwei Typen unter ihnen auf, der eine der Beamten und Kaufleute mit länglichem Kopf, der andere niedere an die Wilden Nordamerika’s und die Aino’s erinnernd mit breitem Kopf.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_284.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)