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die frühere Reisende oft constatirt haben, so gewinnt dieser doch nie die Oberhand über ihren praktischen Sinn. Meine Bücher und Instrumente, selbst Uhren waren sicher vor ihrer Begehrlichkeit; ebensowenig strebten sie nach meinen Schießgewehren (wenn mir eine Doppelflinte gestohlen wurde, so geschah dies von Jemand, der darauf rechnete, seinen Bruder, der von den Arabern gefangen gehalten wurde, gegen dieselbe auszutauschen), sondern strebten unermüdlich nach Gegenständen, welche unmittelbare Verwerthung erlaubten. Meine rothen Tuchburnusse, die sie sonst sehr lieben, verhandelten sie alsbald gegen Kameele oder Schafe, und Spiegel und Essenzen fanden nicht den Zuspruch, den ich von ihrer so oft betonten Eitelkeit erwartete.

Diesem ihren krassen Egoismus gegenüber treten Gefühlseigenschaften gänzlich in den Hintergrund. Nie hoffe ich wieder eine Nation zu besuchen, die sich durch eine so gänzliche Abwesenheit aller Gutmütigkeit auszeichnet. Jeder Appell an ihr Herz ist für sie unverständlich und ohne Wiederhall. Ich habe während der ganzen Zeit meines Aufenthalts unter ihnen nur ein einziges Individuum gefunden, das aus reinem Mitgefühl mit meiner unerquicklichen Lage, ohne Speculation auf meine Habe, für mich zu interveniren suchte. Derselbe kam eines Tages nach Bardaï (er wohnte in dem benachbarten Dorfe Zuï) und führte sich mit einigen Wassermelonen bei mir ein, indem er erklärte, daß er in seinem Dorfe von dem Christen gehört habe, welcher, nachdem er sein Besitzthum gezwungener Weise fortgegeben habe, jetzt Hunger leiden müsse, gewaltsam zurückgehalten werde und dazu noch seine Feinde von ihren Krankheiten heile, und da habe er denn gedacht, es müsse ihm doch Vergnügen machen, einige Früchte aus seinem Garten zu haben. Da er ein angesehener Mann war, begab er sich sodann in die Versammlung der Edlen und sprach dort, wie ich hörte, energisch für meine Freilassung. Ich war zwar unmittelbar schon gerührt über dies ungebräuchliche Zeichen von Mitgefühl, konnte aber meine Zweifel über die Aufrichtigkeit des letzteren nicht unterdrücken, und wartete von einem Tage zum andern auf die Entwicklung des egoistischen Motivs dieses anscheinenden Edelmuthes. Doch, obwohl er mir noch einen Besuch mit Wassermelonen abstattete, äußerte er keinen Wunsch, kein Verlangen, und seine wohlthuende, isolirte Erscheinung ist mir durchaus rein und unverdunkelt in der Erinnerung geblieben.

Im Uebrigen hörte ich vom Morgen bis zum Abend nur unangenehme, kränkende, drohende Worte. Beide Geschlechter vom zartesten bis zum vorgerücktesten Alter wetteiferten darin. Selbst wenn es ihr Vortheil nicht erheischte und sie durch Nichts provocirt waren, fanden sie ein sichtliches Vergnügen daran, mich moralisch zu mißhandeln.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_309.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)