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Miscellen.
Zur Karte der Cyrenaica.
Von Gerhard Rohlfs.
(Hierzu eine Karte, Taf. V.)

Die Zeit ist, fast möchten wir sagen, neuesten Datums, wo die Cyrenaica noch eine vollkommene Insel, d. h. von allen Seiten vom Meere umspült war. Seit wir Kunde von der heutigen Halbinsel haben, seit circa 26 hundert Jahren, ist die Cyrenaica nur noch im Südwesten, Nordwesten und Nordosten vom Mittelmeere, im Südosten hingegen von der Sahara begrenzt. Die Cyrenaica, welche die große Syrte abschließt, hat im Süden jene langgedehnte afrikanische Depression, welche sich bis zur Oase des Jupiter Ammon, dem heutigen Siuah hinzieht.

Kein Land am ganzen Mittelmeerbecken kann, was Fruchtbarkeit des Bodens und Ueppigkeit des Pflanzenwuchses anbetrifft, sich irgendwie mit der Cyrenaica messen; aber nur die Pracht der Ruinen, die dichtgedrängten zerstörten Ortschaften und Städte, die heute noch wohlerhaltenen Heerstraßen der Griechen und Römer deuten auf die ehemalige starke Bevölkerung. Auffallend ist die jetzige dürftige Vertretung der Thierwelt, verglichen mit der anderer Regionen Afrika’s nördlich von der Sahara, dann die mangelhafte Bevölkerung. In den übrigen Ländern von Nord-Afrika, sowohl im äußersten Westen im Rharb, wie im Osten in Siuah, finden wir überall noch Nachkommen der ehemaligen einheimischen libyschen Bevölkerung; im heutigen Barka oder Djebel-achdar sehen wir nur noch Ruinen der alten Libyer, das Volk selbst ist verschwunden, wenigstens derart von den nomadisirenden Arabern absorbirt, daß wir die gegenwärtigen Bewohner als reine Araber bezeichnen können. So redet und versteht denn auch kein einziger der Stämme, welche zur Zeit im Djebel-achdar ihre Zelte aufschlagen, tamasicht, während gleich südlich in Audjila schon wieder ein Idiom des Targischen gesprochen wird.

Neben den Ruinen aus griechischer und römischer Zeit existiren aber auch zahlreiche Bauüberreste der alten Libyer. Jene Sitte der jetzt in Nord-Afrika nomadisirenden Stämme, einerlei ob sie Berber oder Araber sind, feste Wohnsitze, Thürme und Burgen als Zufluchtsstätten für ihre Habseligkeiten, für ihre Getreidevorräthe, für ihre Heerden zu haben, existirte auch schon bei den Lybiern zur Zeit als Griechen und Römer Herren vom heutigen Barka waren. Diodor sagt uns, daß derartige libysche Bauten in der Regel in der Nähe von Quellen errichtet lagen. Zahlreiche massive Bauüberreste oft aus lebendigem Fels herausgearbeitet, die offenbar weder von Griechen noch Römern errichtet worden sind, zeigen uns denn auch jene alten libyschen Zufluchtsstätten an.

Sehen wir nun aber, daß von den einst blühenden Städten jetzt nichts mehr als Prachtruinen vorhanden sind, daß von den ehemaligen intelligenten Bewohnern, den Griechen und Römern, keine Spur mehr existirt, selbst von den Libyern nur vielleicht Blut in den Adern der heutigen verkommenen arabischen

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_370.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)