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Barkschiff die flache Küste Venezuela’s, – jedoch außer Sicht derselben, – von La Guayra bis Maracaibo, nachdem ich zuvor die hohe, scharf aus dem Meere aufsteigende Gebirgsküste von Rio chico bis La Guayra umfahren und während der Dauer der Fahrt von zwei Nächten und einem Tage das Martyrium auf den kleinen venezuelanischen Küstenfahrern, den Piraguas und Goletas, aus dem Grunde gekostet und wohl im Andenken bewahrt hatte. An Bord der Clara Rosa Sutil lebte es sich behaglicher auf den Wellen als auf einer venezuelanischen Goleta und der kleinen Brigg, die mich über den Ocean getragen. Jedoch, bevor noch die Anker gelichtet, machte sich die Seekrankheit bereits empfindlich geltend; denn die offene See vor der Rhede von La Guayra, die durch keine Bucht geschützt ist, geht beständig hoch und so aufgeregt, daß die ankernden Schiffe sich in einer unausgesetzt schaukelnden und noch unangenehmeren Bewegung befinden, als auf dem hohen, aber gleichförmigen Wogengange des weiten Oceans. Leicht und schnell ging die Fahrt auf den friedlichen Tropengewässern, gleich einer sommerlichen Vergnügungsfahrt, von statten; zwischen der flachen Halbinsel von Paraguana östlich und der von einer niedrigen Hügelreihe durchzogenen und von den unabhängigen Goajiro-Indianern bewohnten Halbinsel Goajira westlich lief die Barke in den herrlichen Golf von Maracaibo (auch Golfo de Venezuela oder Saco de Maracaibo genannt) ein und steuerte immer in Sicht, doch in respectvoller Entfernung von dem freien Indianerlande längs seiner Küste hinauf. Vor der Berührung mit dem Festlande der Halbinsel und seiner urwüchsigen Bevölkerung haben die Salz- und Süßwasser-Kapitäne eine entschiedene Abneigung; dieselbe gründet sich auf geschichtliche Begebenheiten und für die Fremden immer verhängnißvoll gewordene Erfahrungen, und wird von Zeit zu Zeit durch neue, gleich tragische Ereignisse wieder aufgefrischt.

Ehemals lebten die Goajiros mit den eingewanderten Europäern in dem heutigen Venezuela und Neu-Granada in Frieden; sie brachten ihre Maulthiere, Pferde und Esel, deren Zucht weit und breit geschätzt und gesucht ist, sowie die Naturproducte ihres Landes: Brasilholz, Dividivi, heilkräftige Rinden und Kräuter und andere Dinge mehr selbst auf den Markt von Maracaibo und Rio Hacha am nördlichen Ausgange des Valle de Upar, um dagegen Salz, Zucker, Bekleidungsstoffe, Eisengeräthe und was dessen mehr zu ihren Wünschen und Bedürfnissen gehörte, einzutauschen; sie duldeten jedoch von keiner Seite ein Ueberschreiten ihrer eigenen Grenzen. Zur Zeit der spanischen Invasion deren kulturfähigste und gefügigste Anhänger, wurden sie in Folge wiederholter Excesse, der grausamsten Ausschweifungen und Hintergehungen ihrer weißen Gäste die erbittersten, unversöhnlichsten

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_421.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)