Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 444.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ein National- und ein Privatcollegium und mehrere öffentliche Schulen, darunter auch eine nautische. An Anstalten und öffentlichen Gebäuden sind erwähnenswerth ein Hospital, ein Zuchthaus für Verbrecher, eine Kaserne, eine reich und hübsch ausgestattete Kathedrale neben acht Kirchen, einem Kloster und einem Seminare; zwei Druckereien versorgen den geschäftlich-literarischen Tagesbetrieb, eine Dampfbrettschneidemaschine arbeitet für die Schiffswerfte, die bereits verschiedene schöne Schiffe geliefert hat. Seine Lage begünstigt Maracaibo besonders zum Schiffsbaue wegen des leichten Bezuges der kostbarsten Bauhölzer aus den Lagunenwäldern, wie des geeigneten Terrains und Wassers halber, die Fahrzeuge vom Stapel laufen zu lassen. Als gemeinnützige Anstalt muß noch erwähnt werden die kleine Lazaroinsel etwa eine Legua gegenüber der Stadt, eine Unterbringungsanstalt für die sogenannten Lazarokranken, unglückliche, von der Elephantiasis zerfressene, menschliche Geschöpfe. Nach einem Gesetze sollen diese Elenden aus dem ganzen Lande nach dieser Insel geschafft werden, um sie der Berührung und dem Anblicke der Gesunden zu entziehen und der weiten Verbreitung der widerlichen Krankheit durch Isolirung der Behafteten Einhalt zu thun. Täglich geht von Maracaibo ein Boot mit Nahrungsmitteln für die Insel ab; sonst aber sind deren sonderbare Bewohner ganz sich selbst überlassen und im vollen Besitze des Selfgouvernements; da ihre Krankheit nicht schmerzlich ist, so sollen sie unter sich ganz guter Dinge sein und sogar – so schrecklich auch der Gedanke – Gott Hymen in ihre Inselrepublik zu Gaste laden.

Die Angaben über die Einwohnerzahl Maracaibo’s enthalten wenig Zuverlässiges; sie schwanken zwischen 10, 15, 20–25,000 Seelen, ein neuerer statistischer Schriftsteller Maracaibo’s, Gregorio Mendez, giebt sie auf 34,000 Seelen an; dieselben bewohnen nach seinen Aufzeichnungen 3751 Häuser, unter welchen 25 große und 316 kleine Handlungshäuser und nur 50 mehrstöckig aufgebaut sind. Alle steinernen, mehrstöckigen Neubauten haben ein flaches Dach; der Aufenthalt auf demselben in den frühen Morgen- und Abendstunden gehört zu den angenehmsten klimatischen Genüssen. Die Regenabflüsse münden in eine tief in das Hausgemäuer eingesenkte Cisterne; alles Regenwasser wird darin ökonomisch aufgefangen und aufbewahrt; es erhält sich in der jedem Sonnenstrahl entzogenen Tiefe unverdorben und im Verhältniß zur umgebenden atmosphärischen Temperatur ziemlich kühl. Das wohlhabende Maracaibo trinkt nur dieses Regenwasser, da kein anderes fließendes Wasser seine Erde netzt; der ärmere Theil der Einwohner, der keine Cisternen hat, trinkt das Wasser der Lagune; dieselbe führt ein halbes Jahr lang, während der Regenmonate im

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_444.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)