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Süden, ein mehr, und ein halbes Jahr lang ein minder süßes Wasser. Durch die enormen Niederschläge vom Mai bis zum October in dem waldreichen Südbecken werden der Lagune durch die überfüllten Zuflüsse ungeheure Mengen süßen Wassers zugeführt, so daß das Meer nicht vermag diese Strömung zu überwinden und gegen sie in den See einzutreten; da aber die Regenniederschläge in jenen waldreichen Stromgebieten nie ganz ausbleiben, so bleibt das Wasser der Lagune auch während der Sommermonate trinkbar, obschon unschmackhaft. Bei den herrschenden nördlichen Winden aber im März und April dringt die Meeresströmung in den See ein, und das Wasser wird brakisch und fast ungenießbar. Bevor das Trinkwasser in die kühlenden Thonkrüge eingefüllt und getrunken wird, läßt man es durch Tropfsteine sickern und sich reinigen. Aus gesundheitlichen Rücksichten, die freilich eine Sache des Genusses selbst und der Gewohnheit geworden, setzt man dem Wasser vor dem Trunke noch etwas Wein oder Brandy zu. So geringfügig auch das Ameublement der Wohnhäuser sein mag, in jedem angesehenen Hause doch wird sich am Eingange zu den Galerien des Patio ein Büffet mit Wasser, Wein und Brandy finden, das dem Gaste zur Erfrischung nach dem ermüdenden Gange das erste Willkommen bietet. So sehr diese Sitte auch der Natur des Landes angemessen, legt sie doch mit den ersten Grund zu jenem unglückseligen Laster, dem sich die Fremden in den Tropenländern so leicht ergeben; durch das stete Zutrinken bei den flüchtigen Besuchen von Haus zu Haus setzt sich bei inklinirten Personen die Neigung zum Trunke unbezwinglich fest.

Wäre Maracaibo, wie La Guayra, von Felsen eingeschlossen, so würde seine Temperatur unerträglich sein; es liegt nur elf Vara’s über dem Meeresspiegel und genießt in seinem schattenlosen Sande weder der Abkühlung durch die Meeresküste, noch der Erfrischung durch benachbarte Wälder und Gebirge. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt nach Codazzi 27°,22 C. In dem innern Stadttheile innerhalb der Häuserquadrate liegt während der vorgerükten Tagesstunden die Hitze niederdrückend auf aller Thätigkeit; die Haut wird nicht trocken, auch wenn man sie bis auf das äußerste Maß des Schicklichen von der Kleidung befreit; jedoch nach Sonnenuntergang und während der Nacht athmet die Brust leichter auf, als in dem von dem ausstrahlenden Felsenkessel fortdauernd geheizten La Guayra. Während meines Aufenthaltes in Maracaibo in den letzten Tagen des Juni zeigte das Thermometer in meinem Zimmer beständig 25° R., und doch wohnte ich in dem anerkannt kühlsten Hause der Stadt. Die Monate März und April gewähren bei den herrschenden Nordwinden die meiste Abkühlung; Juli und August aber sind die Hundstage Maracaibo’s;

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_445.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)