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kein erfrischendes Lüftchen dämpft die senkrechten[WS 1] Strahlenpfeile der Zenithsonne; es herrscht Windstille bis zum September, welche nur unterbrochen wird von dem gefürchteten Südwinde, dem viento destructor oder virason, so genannt, weil er der Gesundheit nachtheilig ist; mäßige Winde haben gewöhnlich Regen, heftige Winde heitere trockene Luft im Gefolge. Anhaltend und häufig regnet es in Maracaibo und an der flachen Küste nur im September und October, vielleicht auch einige Male im Mai; der October bringt auch den regenärmsten Gegenden noch am zuverlässigsten einige erquickende Niederschläge; nur an der Nord-Ostseite des See’s, in der Provinz Coro, bleibt auch diese Hoffnung zuweilen unerfüllt. Die Niederschläge erfolgen mit der Heftigkeit und der Wassermenge einer Ueberfluthung.

Ueber die Lagune selbst entladet sich fast immer mit kurzen Intervallen eine mit Elektrizität überladene Atmosphäre unter heftigen, schnell aufsteigenden und ebenso schnell aufgelösten Gewittern. Die Schifffahrt auf dem Südwassersee erleidet durch diese stürmischen Unwetterausbrüche mancherlei Beunruhigungen. Als Richtzeichen dient derselben ein eigenthümliches Lichtphänomen, das allabendlich in der Art von unaufhörlich aufeinanderfolgenden Blitzen wahrgenommen wird und bei den Umwohnern des See’s unter dem Namen Farol de Maracaibo bekannt ist. Die Erscheinung hat ihren festen Stand über den Sumpfniederungen und Cienega’s unweit der Stromgabelung des Rio Catatumbo mit dem Rio Zulia; sie deutet wohl auf die Entbindung von Wasserstoffgas jenes sumpfigen Flachlandes bin; es donnert und blitzt fast ohne Aufhören über jenen, von August bis Oktober unerträglich heißen, von Regenfluthen unter Wasser gesetzten Alluvialebenen; es scheint daselbst eine concentrirte elektrische Materie festzustehen. Alexander von Humboldt schreibt über jene Lichterscheinung in seinen Reisen (deutsch bearbeitet von Hermann Hauff) Bd. II. S. 355: „Was ist die unter dem Namen Farol de Maracaibo bekannte Lichterscheinung, die man jede Nacht auf der See wie im inneren Lande sieht, z. B. in Mérida, wo Palacios dieselbe zwei Jahre lang beobachtet hat? Der Umstand, daß man das Licht über 40 Meilen weit sieht, hat zu der Vermuthung geführt, es könnte daher rühren, daß in einer Bergschlucht sich jeden Tag ein Gewitter entlade. Man soll auch donnern hören, wenn man dem Farol nahe kommt. Andere sprechen in unbestimmtem Ausdruck von einem Luftvulkan; aus asphalthaltigem Erdreiche, ähnlich dem bei Mena, sollen brennbare Dünste aufsteigen und daher beständig sichtbar sein.“

Die Schädlichkeit des gefürchteten Südwindes möchte nicht unschwer ihre Erklärung finden in der Herbeiführung der Miasmen aus den heiß-feuchten Waldniederungen des südlichen Strombeckens. Es


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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_446.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)