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an ihn das Gebot, weiter zu denken, zu suchen, zu streben, die unverstandenen Wunder, die ihn rings umgeben, im Lichte der Erkenntniß zu durchleuchten, und das Mysterium jedes Räthsels zur Harmonie seiner Naturgesetze zu klären. Der ununterbrochene Fortschritt im Wirken, der das Ziel des Menschengeschlechts bildet, kennzeichnet vor Allem diejenige Wissenschaft, der unsere Gesellschaft gewidmet ist, die Wissenschaft der Erdkunde, sie, die Mutter so vieler anderen, da nur auf ihrer breiten Unterlage die Stützen der erforderlichen Vergleichungen zu gewinnen, aus ihren Sammlungen erst die benöthigten Thatsachen zu entnehmen sind. Die Geographie ist deshalb verpflichtet, das Rad der Forschung in steter Bewegung zu halten und ihre Vertreter zu rastloser Thätigkeit anzuspornen, damit das Tagewerk vollbracht und den ringsum gestellten Ansprüchen genügt werde. So hat das Schaffen fortzudauern, bis jede aus dem Unbekannten hervortretende Schöpfung uns bekannt und vertraut, unser Eigenthum geworden. Freilich wird das Wissen nie sich selbst genügen, aus der Beantwortung bisheriger Probleme müssen weitere Fragen emporsteigen, durch neue Fragen neu zur Lösung führen, und den Dienern der geographischen Wissenschaft bleibt noch ein unübersehbares Arbeitsfeld; die Zahl der Länder auf der Erde vermehrt sich nicht, wohl aber die Nothwendigkeit genauerer Detailkenntniss von denselben und die Geographie wird immer wieder Mängel in ihrer Erkenntniss entdecken, ein Bedürfniß nach schärferen Einzelnheiten, das sie zu fernerer Aussendung von meteorologischen, geologischen, botanischen, zoologischen, anthropologischen Reisenden veranlassen muß.

Vor Allem aber und Allem zuvor hat die Geographie die Grenzen des eigenen Hauses, in seinen allgemeinen Umrissen wenigstens, kennen zu lernen, seine sämmtlichen Abtheilungen zu durchwandern und durch Beobachtungen zu fixiren. Nirgends darf sie länger den weißen Flecken einer terra incognita auf ihren Karten dulden, jene Zeugnisse der Unwissenheit, des Nichtwissens. Es ist ein böses Ding um jedes Nichtwissen und war es stets, es ist um so bedenklicher und gefährlicher, wenn die ganze Wissenschaft sich inductiv aus Vergleichungen aufbaut, wie heute die unsrige. Für das logische Rechnen bildet jeder Punkt eines absoluten Nichtwissens ein Zero, das unter Umständen auch alle übrigen scheinbar gesicherten Größen zu annulliren droht, und keines der soweit gewonnenen Werthresultate kann für unbestritten gelten, wenn solch’ dunkle Nullpunkte noch daneben übrig bleiben. Die Geographie darf deshalb nicht lässig werden, ihren Mahnruf zu wiederholen, so lange es noch unbekannte Gegenden zu entdecken giebt, so lange noch so weite Regionen auf unserem Globus unberührt und geographisch wüste daliegen. Noch

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 482. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_482.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)