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Einen interessanten Beitrag zu der Kenntniß über die damalige Art sich unbequemer Angehörigen zu entledigen giebt Folgendes, wobei man an die jetzige Sitte denken mag moralisch Verkommene ins Ausland zu schicken. 1754 petitionirte ein Arzt aus Preetz um Loslassung seiner unartigen Schwester, die sich wegen ihres incorrigiblen Betragens seit einigen Jahren im Neumünster’schen Zuchthause befand; er wollte sie mit einem von Hamburg nach Carolina gehenden Schiffstransport fortschaffen lassen; die Kosten der Unterhaltung waren ihm zu groß. Die Schwester wurde ihm dann zu dem gedachten Zwecke in Neumünster „verabfolgt“. Da sie indessen 1756 wieder ins Zuchthaus gebracht wurde, scheint die Deportation nicht ausgeführt zu sein. Diese Kranke war schon früher aus der Haft im Altonaischen Zuchthause entlassen auf den von ihr ausgestellten Revers, daß sie diesen Ort meiden wolle. In Folge aufs Neue begangener Gewaltthätigteiten erfolgte 1751 ein Gesuch der Geschwister sie auf ihre Kosten so lange im Neumünster’schen Zuchthause bei Arbeit zu behalten bis sie zuverlässigere Hoffnung auf Besserung gebe. Sie wurde wie andere „dergleichen gemeine Züchtlinge“ zur gewöhnlichen Arbeit angehalten und mit der gewöhnlichen Speise und Kleidung versorgt.

Im Februar 1762 machte der Kammer-Assessor und Amtsschreiber C. der Kaiserlichen Majestät, Peter III, (dem der Amtsschreiber NB. bis an die Ewigkeit! zu regieren wünscht), den Vorschlag, 8 Männer und 4 Weiber aus dem Zuchthause zu amnestiren, darunter 2 wegen Incestes sitzende und einen jugendlichen Brandstifter; diese waren vermuthlich auch psychisch gestört, doch bemerkte die Rentekammer dazu, daß nur einer vorzuschlagen sei, da die andern größtentheils den Namen der gottlosesten Bösewichter verdienten.

Man beschäftigte damals die ruhigeren Geisteskranken im Zuchthaus übrigens ebenso wie im Dollhaus mit Stricken, jedoch ausdrücklich nur um einen Zuschub zur Kasse zu bewirken.

Die gleichzeitigen Rescripte wegen Aufnahme ins Zuchthaus enthalten unter 103 Stücken mindestens 40 Berichte

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Kirchhoff (Arzt): Die frühere Irrenpflege in Schleswig-Holstein
aus Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 20, S. 131-192
. Commissions-Verlag der Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1890, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_fr_schles-20_0159.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)